RealitĂ€t statt RĂŒstung: Warum Frieden und AbrĂŒstung die einzige vernĂŒnftige Strategie sind
Zwei Texte, zwei Blickwinkel â und doch dieselbe Diagnose: Die westliche Politik verweigert sich der RealitĂ€t. WĂ€hrend HD Clausewitz, das Pseudonym eines MilitĂ€rexperten, der regelmĂ€Ăig fĂŒr das Portal Inside Paradeplatz schreibt, den Ukrainekrieg als politisch und militĂ€risch verlorene Eskalation beschreibt, zerlegt Infosperber-GrĂŒnder Urs P. Gasche die Logik der HochrĂŒstung in der Schweiz.
Gemeinsam entwerfen sie ein unbequemes, aber kohÀrentes Gegenprogramm: weg von Illusionen, hin zu Verhandlungen, Deeskalation und einem rationalen VerstÀndnis von Sicherheit. Clausewitz beginnt mit einem historischen Verweis. Als Feldmarschall von Rundstedt 1944 angesichts der aussichtslosen Lage Frieden forderte, wurde er entlassen. Das Muster wiederholt sich bis heute: Wer offensichtliche Niederlagen benennt, gilt als DefÀtist.
Afghanistan, so Clausewitz, war ein LehrstĂŒck kollektiver RealitĂ€tsverweigerung â und die Ukraine sei es erneut. Die militĂ€rische Lage sei seit Langem kritisch, die finanzielle und materielle UnterstĂŒtzung des Westens bröckele. Fast 400 Milliarden Euro seien geflossen, doch selbst NATO-GeneralsekretĂ€r Rutte rĂ€ume ein: Russland produziere in drei Monaten mehr Munition als die NATO in einem Jahr. Geld, Waffen und Zeit gehen aus â die politische Rhetorik aber bleibe unverĂ€ndert.
Statt sich zu fragen, welche Lösung fĂŒr Russland akzeptabel wĂ€re, verliere sich die westliche FĂŒhrung in Gipfeln und Durchhalteparolen. WĂ€hrenddessen erodiere die ukrainische Verhandlungsposition tĂ€glich weiter. Clausewitz' Schluss ist drastisch: Ohne rasche, ernsthafte Verhandlungen drohe der vollstĂ€ndige militĂ€rische und gesellschaftliche Zusammenbruch der Ukraine â ein Failed State mitten in Europa.
Der Ausweg, so Clausewitz, kann nur von auĂen kommen. Er fordert einen Bruch mit dem «Verhandlungsbubble». Nachrichtendienste mĂŒssten den Mut haben, die Lage ungeschönt darzustellen. Medien mĂŒssten ihre Rolle als vierte Gewalt endlich wahrnehmen und Propaganda hinterfragen. Und Parlamente mĂŒssten die Exekutive kontrollieren, statt sich an einen aussichtslosen Krieg zu ketten. Ziel sei ein Vorschlag fĂŒr einen dauerhaften Frieden â ohne Denkverbote, ohne Tabus.
Genau hier setzt Gasche auf nationaler Ebene an â und kommt zum gleichen Grundsatz: Sicherheit entsteht nicht durch RealitĂ€tsverweigerung, sondern durch nĂŒchterne Analyse. Seine zentrale These: Kampfjets und Kampfpanzer sind gegen die realen Bedrohungen nutzlos. Ein konventioneller Angriff Russlands auf die Schweiz sei praktisch ausgeschlossen. Russische Panzer mĂŒssten NATO-Gebiet durchqueren, ein direkter Einmarsch sei militĂ€risch wie politisch absurd. Selbst NATO-nahe Experten rĂ€umen ein, dass klassische Bodenoffensiven extrem unwahrscheinlich sind.
Dennoch wird aufgerĂŒstet â mit immer neuen Bedrohungsszenarien. Hybrider Krieg, ballistische Raketen, Sabotage: Doch ausgerechnet gegen diese Gefahren seien F-35-Jets und Kampfpanzer wirkungslos. Drohnen, Cyberangriffe, KI-gestĂŒtzte Sabotage und biologische Risiken bestimmten die moderne KriegsfĂŒhrung. «Gepanzerte Fahrzeuge sind den Drohnen ausgeliefert», halten selbst NATO-Analysten fest. Ein Kampfpanzer koste hundertmal mehr als eine prĂ€zise KI-Drohne, die ihn zerstören könne.
Gasche entlarvt die HochrĂŒstung als Mischung aus Lobbyinteressen, politischer Angst und symbolischer Machtdemonstration. Argumente wie «SolidaritĂ€t» oder «Trittbrettfahrerei» seien vorgeschoben. SolidaritĂ€t werde weder bei Hunger, Klima noch sozialer Ungleichheit eingefordert â dort, wo sie tatsĂ€chlich Frieden schaffen könnte. Stattdessen drohe eine massive gesellschaftliche Spaltung: AufrĂŒstung bedeute KĂŒrzungen, Steuererhöhungen oder Schulden. Letzteres sei politisch am bequemsten, aber ökonomisch brandgefĂ€hrlich.
Beide Autoren treffen sich im Fazit: Weder militĂ€rische Eskalation noch nationale HochrĂŒstung erhöhen die Sicherheit. Im Gegenteil. Sie binden Ressourcen, verschĂ€rfen soziale Krisen und verhindern politische Lösungen. Clausewitz warnt vor dem Festhalten an einem verlorenen Krieg, Gasche vor Milliardeninvestitionen in Waffen, die gegen reale Bedrohungen nutzlos sind.
Die Alternative liegt auf dem Tisch: FĂŒr Europa bedeutet sie, ernsthafte Friedensverhandlungen einzuleiten, bevor Fakten geschaffen werden, die nicht mehr rĂŒckgĂ€ngig zu machen sind. FĂŒr die Schweiz bedeutet sie, sich auf reale Risiken zu konzentrieren â Cyberabwehr, Drohnenschutz, Resilienz â oder grundsĂ€tzlich ĂŒber ihre sicherheitspolitische Rolle nachzudenken.
Realismus statt Rhetorik, Frieden statt AufrĂŒstung: Was beide Texte fordern, ist kein Idealismus. Es ist das EingestĂ€ndnis, dass Sicherheit nicht durch Ignorieren der Wirklichkeit entsteht â sondern nur durch den Mut, sie anzuerkennen.
