Weltwoche: Bill Gates sponsert Swissmedic mit weiteren 900.000 Dollar
Feed Titel: Transition News
Sowohl die EuropĂ€ische Union als auch die USA halten unbeirrt an einer Politik fest, die vor allem eines kennt: immer neue Milliarden fĂŒr MilitĂ€r und Waffenlieferungen in die Ukraine. Die EU will Kiew in den kommenden Jahren Kredite von bis zu 90 Milliarden Euro zinslos zur VerfĂŒgung stellen. Diese stellen einen Teil des gesamten Finanzbedarfs der Ukraine von rund 135âŻMilliarden Euro bis 2027 dar. Etwa 83âŻMilliarden Euro davon sind allein fĂŒr Verteidigung vorgesehen, Geld, das die Ukraine langfristig in eine SchuldenabhĂ€ngigkeit zwingt.
Auf der anderen Seite des Atlantiks ist man nicht weniger spendierfreudig, wenn es um das MilitĂ€r geht. So hat US-PrĂ€sident Donald Trump ein neues Verteidigungsgesetz unterzeichnet, das 400 Millionen US-Dollar MilitĂ€rhilfe fĂŒr die Ukraine ĂŒber zwei Jahre festschreibt. Im Vergleich zu den genannten 83 Milliarden der EU sieht das aus wie «Peanuts». Doch diese Summe ist eingebettet in einen Verteidigungshaushalt von satten 901 Milliarden US-Dollar fĂŒr das Haushaltsjahr 2026. Dieser ist der höchste in der Geschichte der Vereinigten Staaten, und er liegt sogar um rund acht Milliarden US-Dollar ĂŒber dem, was von Trumps eigener Regierung beantragt wurde.
Diese Entscheidungen konterkarieren wohlklingende Parolen. WĂ€hrend Trump sich gern als Friedensstifter inszeniert und öffentlich mit der Idee eines Friedensnobelpreises kokettierte, genehmigt er zugleich Rekordausgaben fĂŒr das MilitĂ€r. Das erweckt nicht gerade den Eindruck, als ginge es ihm primĂ€r um Frieden auf der Welt. Ein Bruchteil der 901 Milliarden US-Dollar wĂŒrde reichen, um den Hunger auf der Welt zu beenden.
So schrieb der ehemalige deutsche Bundeskanzler und tatsĂ€chliche FriedensnobelpreistrĂ€ger Willy Brandt in seinem Buch «Der organisierte Wahnsinn: WettrĂŒsten und Welthunger», das 1985 erstmals aufgelegt wurde:
«Wir brauchen uns nicht gefallen zu lassen, dass kaltschnĂ€uzige Polit- und ĂkonomiebĂŒrokraten an einfachen Wahrheiten vorbeireden oder sie in einem Wust von Belanglosigkeiten ersticken ⊠[Es stellt sich] sich die Frage, warum ist es nicht möglich und weshalb sollten die Staaten der Welt nicht fĂ€hig sein, einige Prozent der RĂŒstungsausgaben umzulenken. Und zwar so, dass die abgezweigten, umgelenkten Mittel sinnvollen, friedenssichernden Zwecken zugutekommen und Massenhunger und krasses Elend verschwinden.»
Bemerkenswert ist dabei, wie Ă€hnlich sich EU und USA in ihrer Praxis sind. Trotz unterschiedlicher Rhetorik verfolgen beide Seiten denselben Ansatz: AufrĂŒstung statt Ausweg, Milliarden statt Diplomatie. Gelder fĂŒr soziale Stabilisierung, Wiederaufbau oder ernsthafte politische Initiativen bleiben demgegenĂŒber zweitrangig, wĂ€hrend Waffenprogramme zuverlĂ€ssig weiterfinanziert werden.
Laut dem am 14. Februar veröffentlichten «Ukraine Support Tracker» des Kieler Instituts fĂŒr Weltwirtschaft zum Beispiel entfielen von etwa 267 Milliarden Euro Gesamthilfe (militĂ€risch, finanziell und humanitĂ€r) fĂŒr die Ukraine in den ersten drei Kriegsjahren (bis Ende 2024) rund 130 Milliarden Euro (49 Prozent) auf militĂ€rische UnterstĂŒtzung. Nur 19 Milliarden Euro (7âŻProzent) hingegen dienten humanitĂ€ren Zwecken. Damit ist der Anteil ziviler/humanitĂ€rer Hilfe im Vergleich zur militĂ€rischen extrem gering.
Bei den Diskussionen ĂŒber die Kreditvergabe waren auch die eingefrorenen russischen Vermögen (rund 210 Milliarden Euro in der EU) groĂes Thema. So dienen sie als potenzielle RĂŒckzahlungsgarantie fĂŒr das 90-Milliarden-Euro-Hilfspaket: Die Ukraine soll den Kredit erst zurĂŒckzahlen, wenn Russland Kriegsreparationen leistet.
Der ursprĂŒngliche Plan, den Kredit direkt durch Nutzung dieser Vermögen zu finanzieren, scheiterte an rechtlichen und politischen Bedenken. Stattdessen finanziert die EU den Kredit ĂŒber eigene Marktaufnahme, behĂ€lt aber die Vermögen blockiert und will sie bei ausbleibenden Reparationen zur Tilgung verwenden.
Doch auch hierzu gibt es zahlreiche kritische Stimmen â vor allem aus Belgien, aber auch von Juristen, der EZB und LĂ€ndern wie Italien oder Ungarn â, die argumentieren, dass eine direkte oder indirekte Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögen zur Tilgung des Kredits rechtlich hoch riskant oder sogar unmöglich ist, selbst im «Fall der FĂ€lle» (siehe hier oder auch hier).
Die EU nimmt die 90 Milliarden Euro derweil als gemeinsame Anleihen am Kapitalmarkt auf, wie aus einer heute veröffentlichten Mitteilung des European Council hervorgeht. Und die aktuellen Marktrenditen fĂŒr hochwertige EU- oder Eurozone-Anleihen (AAA-bewertet) liegen Ende 2025 bei etwa 3 bis 3,5 Prozent pro Jahr (basierend auf 10-jĂ€hrigen Yields um 3,2 bis 3,3 Prozent).
Bei einer angenommenen durchschnittlichen Laufzeit von 10 bis 20 Jahren und einem Zins von circa 3 bis 4 Prozent ergeben sich jĂ€hrliche Zinskosten fĂŒr die EU von ungefĂ€hr 2,7 bis 3,6 Milliarden Euro. Ăber die gesamte Laufzeit könnten die Gesamtzinskosten 20 bis 50 Milliarden Euro betragen, wĂ€hrend fĂŒr die Ukraine selbst keine Zinszahlungen anfallen.
Auch bemerkenswert: Eine gemeinsame Schuldenaufnahme ĂŒber den EU-Haushalt galt lange als sehr unwahrscheinlich, weil dafĂŒr ein einstimmiger Beschluss der 27 EU-Staaten nötig ist. Die Regierung in Ungarn hatte dies ausgeschlossen. Ungarn stimmte der Einigung dann aber ebenso zu wie die der Ukraine-Hilfe gegenĂŒber kritisch eingestellten LĂ€nder Slowakei und Tschechien, wie etwa die Kronen-Zeitung heute frĂŒh schreibt.
Dem Beschluss zufolge sollen diese LĂ€nder nicht an einer etwaigen spĂ€teren RĂŒckzahlung des Kredits beteiligt werden. Dennoch bezeichnete Ungarns Premier Viktor OrbĂĄn den 90-Milliarden-Euro-Kredit als «lost money», wie Reuters heute berichtet, weil er ihn als nicht rĂŒckzahlbar einschĂ€tzt (siehe dazu auch TN-Beitrag).
Bemerkenswert ist unterdessen auch, dass an das 90-Milliarden-Euro-Hilfspaket zwar durchaus Bedingungen geknĂŒpft sind, darunter explizit der Fortbestand des Kampfes gegen Korruption. Ein nicht gerade zu vernachlĂ€ssigender Punkt, wenn man bedenkt, dass sogar die New York Times kĂŒrzlich schrieb, Selenskyjs Staatsapparat sei ein «komplettes Rattennest» aus Korruption. So heiĂt es in den erwĂ€hnten offiziellen Schlussfolgerungen des European Council:
Der Kredit solle unter anderem sicherstellen, dass «die Ukraine weiterhin die Rechtsstaatlichkeit wahrt, einschlieĂlich des Kampfes gegen Korruption»
Das Problem ist jedoch: Es handelt sich hierbei nicht um harte, auszahlungsabhĂ€ngige «Milestones», die da hĂ€tten sein können: Relaunch des BĂŒros fĂŒr wirtschaftliche Sicherheit (Economic Security Bureau), Erhöhung des Personals in der spezialisierten Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft, Ănderungen am Strafgesetzbuch und Strafprozessrecht zum Kampf gegen Korruption, Reform der öffentlichen Investitionen und Budgetplanung.
Das Magazin Politico bemÀngelte bereits 2016, dass EU-Hilfen nur begrenzten Einfluss auf die KorruptionsbekÀmpfung hÀtten, unter anderem wegen mangelnder Nachverfolgung und messbarer Ziele.
Viktor Orbån hat die Entscheidung der EU kritisiert, der Ukraine einen zinslosen Kredit in Höhe von 90 Milliarden Euro zu gewÀhren, wie RT mit Bezug auf Euronews berichtet. Der ungarische MinisterprÀsident warnte demnach, dass dieser Schritt die EU «nÀher an einen Krieg» bringe. Ein alternativer Plan zur Beschlagnahmung eingefrorener russischer Vermögenswerte wÀre laut Urban allerdings noch schlimmer gewesen.
Nachdem sich die EU-Staats- und Regierungschefs am Freitagmorgen auf das gemeinsame Kreditprogramm geeinigt hatten, habe Orbån es als eine grundlegend fehlerhafte Entscheidung bezeichnet, die die europÀischen Steuerzahler belasten werde, ohne realistische Renditen zu erzielen. Euronews zufolge erklÀrte der ungarische MinisterprÀsident:
«Es ist eine schlechte Entscheidung, die Europa nĂ€her an einen Krieg bringt. Es sieht aus wie ein Darlehen, aber natĂŒrlich werden die Ukrainer es niemals zurĂŒckzahlen können. Es ist also im Grunde genommen eine Geldverschwendung. Und diejenigen, die hinter diesem Darlehen stehen, werden die Verantwortung und die finanziellen Konsequenzen dafĂŒr tragen.»
Wie RT mitteilt, wird die EU im Rahmen der Vereinbarung auf den KapitalmĂ€rkten Mittel beschaffen, um die Ukraine in den Jahren 2026 und 2027 mit 90 Milliarden Euro zu unterstĂŒtzen. Der Kompromiss kam nach tagelangen spannungsgeladenen Verhandlungen und dem Scheitern eines umstritteneren Vorschlags, eingefrorene russische Vermögenswerte zu verwenden.
Ungarn hat sich laut Euronews zusammen mit der Slowakei und der Tschechischen Republik eine Ausnahmeregelung von der gemeinsamen Kreditvereinbarung gesichert und wird sich nicht an der Bereitstellung von Garantien fĂŒr den Kredit beteiligen. GemÀà OrbĂĄn habe sich Budapest nur bereit erklĂ€rt, sein Veto aufzuheben, nachdem es die Zusicherung erhalten habe, dass Ungarn finanziell nicht beteiligt sein werde.
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Feed Titel: Verfassungsblog
Was soll man sagen ĂŒber dieses Jahr 2025? Je weniger, desto besser. Die ganzen grimmigen Höhepunkte des Jahres zu rekapitulieren, wie man es sonst von einem Jahresend-Editorial erwarten wĂŒrde, erscheint mir unangemessen. Nicht weil ich das alles nicht mehr ertragen und meine Ruhe haben und Ihnen das Gleiche unterstellen will. Sondern weil ein mĂ€chtiger und gefĂ€hrlicher Sog ausgeht von dem fortdauernden Doom and Gloom, den ununterbrochenen Schreckenspro- und -diagnosen, die so unerbittlich die NachrichtenkanĂ€le und Social-Media-Timelines gefĂŒllt haben in diesem Jahr. Nichts wird besser, wenn wir alle gemĂŒtskrank werden.
âLast summer in peaceâ: Dieser Spruch war, wie ich gelernt habe, im Sommer 2025 unter polnischen und baltischen Studierenden populĂ€r. Mir erscheint er weder zynisch noch fatalistisch, sondern erfrischend lebensfroh, gerade in und wegen seiner Illusionslosigkeit. Das beste Mittel gegen die Verzweiflung ist immer noch ein klarer, offener und schonungsloser Blick auf das, was uns umgibt und was auf uns zukommt.
Wir haben in diesem Jahr das Justiz-Projekt umgesetzt. Wir haben in Dutzenden von GesprĂ€chen ermittelt, was Menschen im Justizdienst einfĂ€llt, wenn sie anfangen, sich mit dieser Frage zu beschĂ€ftigen: Was kommt da auf uns zu? Wir haben Szenarien ermittelt, wie es aussehen könnte, wenn autoritĂ€re Populisten ihre Strategie umsetzen und die unabhĂ€ngige Justiz in die Zange nehmen. Mein tiefer Respekt und Dank gilt Friedrich Zillessen, Anna-Mira Brandau, Lennart Laude, Juliana Talg, Etienne Hanelt, Emma Bruhn, Janos Richter, Jakob Weickert, Sophie Sendrowski, Jonathan Schramm, Annika Perlebach, Zita Nogrady und Vincent KĂŒhler, die dieses Projekt (und die meisten von ihnen davor schon das ThĂŒringen-Projekt) umgesetzt haben. Sie alle, so mein Eindruck, gehen gestĂ€rkt aus dieser Erfahrung hervor. Genau wie ihre GesprĂ€chspartner*innen in der Justiz.
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Research Fellow in Rule of Law, Accession and European Security
The Bingham Centre for the Rule of Law at BIICL is seeking a skilled and motivated Research Fellow to contribute to a strategic programme exploring the relationship between rule of law standards, European Union (EU) accession processes, and the evolving security challenges in Europe.
For full details of the role, person specification and application process, please visit our recruitment portal at: https://hr.breathehr.com/v/research-fellow-in-rule-of-law-44353 .
It is expected that interviews will take place in late January 2026.
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Mein Dank gilt genauso all den Menschen und Institutionen, die mit ihren Spenden dieses Projekt und ĂŒberhaupt die Arbeit des Verfassungsblogs möglich gemacht haben. Wir haben uns als Organisation enorm weiterentwickelt (danke, Schmid-Stiftung und Robert-Bosch-Stiftung!), in der GeschĂ€ftsfĂŒhrung, im Personal-, Finanz- und Kommunikationsmanagement, in der EigentĂŒmerstruktur. Wir sind professioneller, effektiver und effizienter geworden. Wir haben unsere Reichweite massiv ausgeweitet: 3,5 Millionen Besuche hatten wir auf unserer Website, fast eine Million mehr als im letzten Jahr (und manche davon vom Internationalen Gerichtshof). Wir haben unsere Blog-Symposien weiterentwickelt und zwölf Verfassungsbooks publiziert, viele davon mit groĂer Resonanz in der Wissenschaft und der Ăffentlichkeit. Mein besonderer Dank gilt meiner WeggefĂ€hrtin Evin Dalkilic, die den Verfassungsblog als Verlag und wichtigen Player in der Open-Access-Landschaft maĂgeblich aufgebaut hat und jetzt, nach sieben aufregenden, abenteuerlichen und anstrengenden Jahren Verfassungsblog, zu neuen Ufern aufbricht.
Wir gehen stĂ€rker, robuster und, ja, auch zuversichtlicher ins neue Jahr als letztes Jahr um diese Zeit. Wir werden weiter öffentlich machen, was gewusst wird und gewusst werden muss ĂŒber Zustand und Zukunft von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Text fĂŒr Text â und bald auch in neuem Design, auf einer aufgerĂ€umteren, funktionaleren, moderneren Website (endlich!). Wir werden weiter investieren in die Ermittlung von Szenarien und in die Vorbereitung auf die Strategien des Institutionenmissbrauchs, mit denen der autoritĂ€re Populismus scheinbar unaufhaltsam immer mehr an Macht gewinnt. Wir werden uns als nĂ€chstes die Wissensinstitutionen anschauen, die Hochschulen, die Medien und ihre jeweiligen Verwundbarkeiten. Wir werden uns auf die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern vorbereiten und auf die Möglichkeit, dass dort bald die AfD Exekutivmacht ausĂŒbt. Wir werden uns nicht unterkriegen lassen. Wir werden weder der Versuchung nachgeben, uns in identitĂ€re, rĂŒckwĂ€rtsgewandte Scheinidyllen, in Weltflucht, Wahrnehmungsverweigerung, Ab- und Ausgrenzung und Hass zu flĂŒchten, noch dem Sog der Depression. Wir werden sie weiter an uns heranlassen, diese Welt und alles, was in ihr passiert, all ihre Schrecken â auch die von unserem Land, unserer Regierung, uns selbst mitverursachten â eingeschlossen. Wir werden uns weiter anschauen, was da los ist, was es damit auf sich hat und was davon zu halten ist. Wir werden die Augen offen halten und den RĂŒcken gerade.
In diesem Sinne: frohe Feiertage! GenieĂen wir die Zeit, die auf uns zukommt. I mean it.
P.S.: Das geht natĂŒrlich alles nicht ohne Ihre Spenden. Bitte hier entlang!
P.P.S.: Das Editorial geht hiermit in die Feiertagspause. Wir sehen uns am 9. Januar wieder!
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Langeweile ist eine knappe Ressource. Wir freuen uns schon auf die Tage, in denen wir nach ein, zwei GlĂŒhwein einfach nur stundenlang dem Kaminfeuer beim Brennen zuschauen können. Doch wie bei jeder Ressource macht auch bei der Langeweile die Dosis das Gift. Um Sie in unserer Weihnachtspause vor einer Ăberdosis zu bewahren, haben wir unsere Lieblingstexte des Jahres fĂŒr Sie zusammengestellt.
MAXIM BĂNNEMANN
Bei uns geht es viel ums Recht. Um Texte, Normen und die Kraft des besseren Arguments. Das ist zwar sehr vernĂŒnftig, verstellt bisweilen aber den Blick darauf, dass politische Gemeinschaften ihren Sinn auch in Quellen auĂerhalb von Vernunft und rationalem Diskurs suchen. PAUL W. KAHN schreibt seit Jahrzehnten ĂŒber diese Leerstellen liberaler Theorie. Dieses Jahr hatte er mit einem Text ĂŒber Glauben und Gewalt in den Vereinigten Staaten sein DebĂŒt auf dem Verfassungsblog. Auch das sĂ€kulare US-amerikanische Verfassungsprojekt sei schon immer ein politisch-theologisches Projekt gewesen. Doch wĂ€hrend dessen Anziehungskraft schwinde, rĂŒckten nun christliche Nationalisten in das Zentrum der Politik. Ihre Botschaft sei keine der Liebe, sondern eine der Gewalt: âAmericaâs civil wars are not yet done.â DĂŒstere LektĂŒre â aber wer autoritĂ€ren Heilsversprechen etwas entgegensetzen möchte, muss sie zuerst verstehen.
EVA MARIA BREDLER
Was tun, wenn das Recht in unseren HĂ€nden zerbröselt? Die Frage treibt uns schon lange um, aber dieses Jahr besonders. Ich erspare Ihnen den deprimierenden JahresrĂŒckblick, Sie waren ja dabei. Viel lieber möchte ich Ihnen die Antwort von ITAMAR MANN ans Herz legen. Auch wenn der Titel nicht besonders erbaulich klingt: Mann gelingt es, âauf dem Friedhof des Völkerrechtsâ einen Totentanz der Tiere aufzufĂŒhren, der mich an die Auferstehung des Rechts glauben lĂ€sst. DafĂŒr braucht es StrauĂe (die ihren Kopf tief in den völkerrechtlichen Sand stecken), Eulen (die altersweise die Probleme erkennen und von einem besseren Recht trĂ€umen) und â wichtig â Oktopusse (die ernsthaft, aber verspielt das Recht ganz anders anwenden). Welches Tier sind Sie?
CHARLOTTE HERBERT
In meinem Jahr als Redakteurin fĂŒr Digitales habe ich viel gelesen und gelernt ĂŒber transatlantische AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnisse â âdigitale SouverĂ€nitĂ€tâ ist 2025 zum omniprĂ€senten Lieblingsschlagwort geworden: Ihrem Fehlen werden beinah alle technischen, digitalen und geopolitischen Ăbel der Gegenwart zugeschrieben. Staubiges Europa trifft auf prosperierende Privatunternehmen, allen voran Starlink.
In meinem Lieblingstext des Jahres entwirrt ALINA UTRATA die FĂ€den zwischen staatlichen Bestrebungen nach digitaler UnabhĂ€ngigkeit, wachsender politischer Macht privater Unternehmen und privater Kontrolle kritischer Infrastrukturen. Sie beleuchtet dabei die historische KontinuitĂ€t von staatlicher KonzernabhĂ€ngigkeit â von imperialen Handelsgesellschaften bis hin zu modernen Cloud-Anbietern â und das, ohne den hier unbedingt erforderlichen, dunklen, englischen Sarkasmus zu verlieren.
Wenig beschönigend, aber dennoch unterhaltsam, fordert sie, Privatunternehmen endlich als politische Akteure zu begreifen â und nicht weniger als ihre Demokratisierung. CEOs dĂŒrfen ihre Firmen nicht lĂ€nger wie kleine Monarchen fĂŒhren!
JASPER NEBEL
Lesekreise sind ja so eine Sache â der eine vergisst zu lesen, die andere findet das Buch schlecht, und schon ist der Lesekreis auch wieder Geschichte. Nun stellen Sie sich vor, dass ausnahmsweise alles super lĂ€uft, aber dann der Verfassungsschutz kommt und sagt: Nix da, euer Lesekreis ist verfassungswidrig.
So geschehen in Hamburg: Der dortige Verfassungsschutz hatte in seinem Verfassungsschutzbericht einen marxistischen Lesekreis als verfassungswidrig aufgefĂŒhrt. Und auch das VG Hamburg zweifelt in seinem Urteil an der Verfassungstreue von Karl Marx. BRUNO LEIPOLD hat sich das Ganze genauer angeschaut â und nimmt das Urteil nach allen Regeln der Kunst auseinander. Akribisch knöpft sich Leipold jeden Satz des Urteils vor, deckt eklatante MissverstĂ€ndnisse auf, weist auf die Nicht-Vielfalt der Quellen hin (das VG zitierte â wenn ĂŒberhaupt â eine Quelle) und kommt zu dem wenig ĂŒberraschenden Schluss: âIronisch ist, dass die Richter des Hamburger Verwaltungsgerichtes von einem Marx-Lesekreis profitieren wĂŒrden, um an einer solchen Debatte besser teilnehmen zu können.â
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We are delighted to announce that our next Max Planck Masterclass with Dr. Ana BobiÄ is now open for applications (deadline 22 March).
The Masterclass on âHegel and EU lawâ will take place on 26 â 29 Mai 2026 at the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law in Heidelberg, Germany.
More information can be found here.
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MAXIMILIAN STEINBEIS
Wissenschaftler*innen, die ihre AutoritĂ€t und Expertise zum Protest gegen autoritĂ€re und illiberale Politik einsetzen, kompromittieren sich als Wissenschaftler*innen? âScholactivismâ ist das Stichwort, unter dem diese Debatte gefĂŒhrt wird. Einer von denen, die sich besonders vehement gegen aktivistische Wissenschaft ausgesprochen haben, ist der Prager Europarechtler (und Verfassungsblog-Autor seit 2012) JAN KOMĂREK. Als er sich im FrĂŒhjahr auf ein Fellowship an der NYU vorbereitete, sah er die Zeit fĂŒr eine Geste des Widerstands gekommen: In seinem Editorial vom 4. April gab er explizit und öffentlich zu Protokoll, was er von Donald Trump und der US-Politik gegenĂŒber Israel und Ghaza hĂ€lt â als Inspiration fĂŒr andere Wissenschaftler*innen, die sich versucht sehen, sich aus Angst um ihr Einreisevisum selbst zu zensieren, und um seine âeigene WĂŒrde (zu) bewahren, denn vielleicht fehlt mir der Mut, diese Dinge auszusprechen, sollte ich im Herbst in die USA einreise. ⊠Sollte mein Antrag abgelehnt werden, weiĂ ich warum. Doch ich werde mich nicht an dem Akt der Unterwerfung beteiligen, den Trump und seine AnhĂ€nger von all jenen verlangen, die in die Vereinigten Staaten reisen wollen â in das Land, wie wir es kannten, bevor dieser verfassungswidrige Putsch begann.â
JANA TRAPP
Es gibt Texte, die treffen beim Lesen so prĂ€zise ins eigene Unbehagen, dass die Klarheit einen fast schon unangenehm ĂŒberfĂ€llt: Plötzlich ist sortiert, was diffus war, und benannt, was vorher nur vage gespĂŒrt wurde. Dieser gehört dazu: Messerscharf und mit geduldigem Unfug-Detektor legt CHRISTINE MORGENSTERN eine Kriminalpolitik offen, in der der Staat seinen âGewaltschutzâ verdĂ€chtig strafrechtlich konstruiert. Der Text zeigt, wie feministische Kriminalwissenschaft zwischen Carceral Feminism, Migrationspolitik und autoritĂ€ren Versuchungen balanciert. Und dass Differenzierung kein Luxus verwöhnter Liberaler ist, sondern demokratische Notwendigkeit: um die Not zu wenden. FĂŒr mich ist dieser Beitrag ein Kompass inmitten kriminalpolitischer Sturmhöhen, der statt Parolen pointierte PrĂ€zision bietet.
JAKOB GAĆ PERIN WISCHHOFF
Die umfassende Invasion der Ukraine durch Russland in den vergangenen fast vier Jahren hat zu politischen Verschiebungen und VerĂ€nderungen in Europa und darĂŒber hinaus gefĂŒhrt. Die NATO-FĂ€higkeiten in Europa, angespannte transatlantische Allianzen mit unfreundlichen Zöllen sowie ein erneuertes Bewusstsein fĂŒr die Notwendigkeit einer starken und unabhĂ€ngigen europĂ€ischen AuĂen- und Sicherheitspolitik sind allesamt Konsequenzen der Anforderungen dieser neuen RealitĂ€ten. Eines der Themen, das nach wie vor europĂ€ische Politiker:innen und EU-Institutionen beschĂ€ftigt, sind die eingefrorenen russischen Gelder. ANTON MOISEIENKO stellt in einem meiner LieblingsbeitrĂ€ge dieses Jahres die Thematik nĂŒchtern aus rechtlicher und politischer Perspektive dar â klar und nachvollziehbar.
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von CHARLOTTE HERBERT

WeiĂe Weihnachten sind in Deutschland ein rares PhĂ€nomen â ein Wunschszenario, dessen Eintritt inzwischen unwahrscheinlicher scheint als eine Auslandsreise von Friedrich Merz ohne Eklat. Auf der Zugspitze, dem höchsten Berg des Landes, werden heute sieben Grad erwartet; ich habe meinen Mantel gegen eine Jeansjacke getauscht, und wenn man genau hinsieht, erkennt man bereits die ersten Babykrokusse, die sich durch den Asphalt schieben.
In dieser unweihnachtlichen Stimmung, der selbst mehrere (zu) heiĂe GlĂŒhweine wenig entgegensetzen können, habe ich kĂŒrzlich wieder zu meinem liebsten (Winter-)Buch gegriffen: In eisigen Höhen von Jon Krakauer. Darin schildert er, wie er 1996 als Journalist mit einer kleinen Gruppe aufbrach, um den Mount Everest zu besteigen (damals noch eine recht exklusive Erfahrung). Die Expedition â wie Krakauer gleich auf der ersten Seite vorwegnimmt â gerĂ€t in ein heftiges Unwetter, das nicht alle ĂŒberleben werden. Krakauer, der auf dem Gipfel selbst zunehmend unter KĂ€lte und Sauerstoffmangel den Verstand verliert, beschreibt mit einzigartiger IntensitĂ€t das Chaos, das die Unbarmherzigkeit der Natur dort oben entfesselt â aber auch die AbsurditĂ€t und den GröĂenwahn, dem Menschen verfallen, wenn sie glauben, sie könnten die Natur bezwingen.
Eine absolute Leseempfehlung fĂŒr alle, die sich ĂŒber die Feiertage einkuscheln möchten, die ihre eben noch verhassten fĂŒnf Grad Nieselregen zu schĂ€tzen lernen wollen â oder einfach eine LektĂŒre brauchen, die zuverlĂ€ssig von den Strapazen familiĂ€rer Weihnachtlichkeiten ablenkt.
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zusammengefasst von EVA MARIA BREDLER
Als Kind war das Jahresende eine Zeit der âDezembertrĂ€umeâ. Inzwischen herrscht eher Dezemberfieber, quite literally â wir in der Redaktion wechseln uns ab mit dem Kranksein. Aber auch metaphorisch: GefĂŒhlt wollen alle auf die letzten Meter noch schnell die Jahresziele erreichen; sie arbeiten, machen Burpees und schreiben die NĂ€chte durch â ein vorweihnachtlicher Arbeitsschlauch fĂŒr uns, aber ein Lesefeuerwerk fĂŒr Sie. Los gehtâs:
Wochenlang wurde diskutiert, ob sie eingefrorenes Staatsvermögen Russlands fĂŒr einen Kredit fĂŒr die Ukraine nutzen soll. Heute hat sie sich auf einen 90-Milliarden-Kredit geeinigt â vorerst ohne direkte Nutzung der eingefrorenen russischen Gelder. Doch die Frage bleibt auch fĂŒr die Zukunft interessant. SIMON GEIERSBACH (DE) hĂ€lt die Gelder auch eingefroren fĂŒr nutzbar und zeigt, warum ein solches EU-Reparationsdarlehen an die Ukraine rechtlich und finanzpolitisch tragfĂ€hig sein kann.
Diese Woche hat die EU auch einen weiteren Streitpunkt vorweihnachtlich aufgelöst: Am Dienstag verabschiedete das EuropĂ€ische Parlament das umstrittene Omnibus I-Paket, das die CSDDD â und damit indirekt auch das deutsche LkSG â neu gestaltet. DANIEL SCHĂNFELDER und MICHAELA STREIBELT (EN) fassen die fĂŒr Unternehmen wichtigsten praktischen Ănderungen zusammen, vor allem fĂŒr Berichts- und Transparenzpflichten.
Um Transparenz ging es der EU auch mit dem Digital Services Act. Dessen Artikel 40 öffnet Plattformdaten fĂŒr Forschende â doch fĂŒr wen genau? DAPHNE KELLER (EN) hĂ€lt die Auslegung von âöffentlich zugĂ€nglichenâ Daten fĂŒr maĂgeblich und plĂ€diert fĂŒr eine weite Auslegung, um die Transparenzziele des DSA zu erreichen.
Anfang Dezember erlieĂ die EuropĂ€ische Kommission ihre erste DSA-Entscheidung und beanstandete darin Xs blaues HĂ€kchen als angeblich irrefĂŒhrend. FĂŒr MARC ANDRĂ BOVERMANN (EN) verkennt die EuropĂ€ische Kommission damit die strukturellen Probleme der Plattform und trĂ€gt nur wenig zur Vertrauensbildung bei.
Apropos Vertrauensbildung: TOMMASO PAVONE, SILJE SYNNĂVE LYDER HERMANSEN und LOUISA BOULAZIZ (EN) untersuchen anhand eines neuen Datensatzes mit fast 7.000 Urteilen von 1962 bis 2016, ob der EuGH die Schwachen oder die MĂ€chtigen hĂ€ufiger schĂŒtzt. Ihr Ergebnis: Individualpersonen gewinnen hĂ€ufiger als Unternehmen, unter anderem weil der EuGH Ressourcenungleichheiten ausgleicht.
Um Machtverschiebungen ging es auch im Egenberger-Urteil des BVerfG. FĂŒr HEIKO SAUER (DE) markierte das Urteil einen Kurswechsel im Europaverfassungsrecht. BENEDIKT RIEDL (DE) hĂ€lt dagegen: Karlsruhe hat diesmal zwar nicht den Konflikt mit dem EuGH gesucht, die Ultra-vires-Kontrolle bleibt aber trotzdem unerlĂ€sslich.
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Over the course of a year, Are We Europe, together with 28 journalists from over 15 EU countries, explored what it means to have your fundamental rights protected in the European Union (EU) today. The result is FOCUS, a digital and print publication which seeks to raise public awareness of the Charter of Fundamental Rights of the European Union (the Charter), its value, and its potential for broader application in day-to-day life. Telling stories that highlight the Charterâs workings â and shortcomings â is a key part of that.
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BeschĂ€ftigt hat das BVerfG zudem die Pressefreiheit: Der SPIEGEL durfte in der Berichterstattung ĂŒber Wirecard die VerdĂ€chtigen namentlich nennen, wie das Gericht nun entschied. LIAM DRAF und GUNNAR DUTTGE (DE) warnen: Dies schwĂ€cht Persönlichkeitsrechte und setzt Betroffene dem Risiko öffentlicher Vorverurteilung aus.
Eine buchstĂ€bliche öffentliche Vorverurteilung beobachtet KAI AMBOS (DE) mit Besorgnis in den USA. Die US-Regierung sanktionierte den damaligen ChefanklĂ€ger des Internationalen Strafgerichtshofs und IStGH-Richter, weil diese Strafverfahren gegen Trumps Parteifreunde betrieben haben: âDie US-Sanktionspolitik gegen den Internationalen Strafgerichtshof ist nicht nur ein Angriff auf den IStGH, sondern auf das Recht schlechthin.â Ambos erklĂ€rt die gravierende Wirkung der Sanktionen â und warum die EuropĂ€ische Union jetzt reagieren muss.
Auch in RumĂ€nien ist die richterliche UnabhĂ€ngigkeit in Gefahr. Am Montag entschied nun der EGMR im Fall DanileÈ, dass Richter*innen grundsĂ€tzlich nicht dafĂŒr diszipliniert werden können, öffentlich den Rechtsstaat zu verteidigen. IURIE PATRICHEEV (EN) begrĂŒĂt das als wichtige Intervention zum richtigen Zeitpunkt und erklĂ€rt, was das Urteil fĂŒr RumĂ€niens belastete Justiz bedeutet.
Leider ist inzwischen auch der EGMR selbst in Gefahr: Immer mehr Mitgliedstaaten drohen damit, die EMRK zu verlassen â vor allem aus migrationspolitischen GrĂŒnden. Letzte Woche trafen sich die Minister*innen des Europarats, um zu diskutieren, wie sich Migrationsfragen unter der EMRK potenziell neu ausrichten lassen. JASPER KROMMENDIJK und LINA SOPHIE MĂLLER (EN) analysieren das Dezember-Treffen, die inneren Spannungen unter den Staaten und die Folgen fĂŒr den EGMR.
Auch Polen erwĂ€gt den EMRK-Austritt â und das unter dem frĂŒher proeuropĂ€ischen Premierminister Donald Tusk. Dessen politische Rhetorik lĂ€sst sich inzwischen fast mit der von Viktor OrbĂĄn verwechseln, nachdem Polen als HoffnungstrĂ€ger fĂŒr rechtsstaatliche Widerstands- und ErholungsfĂ€higkeit galt. WOJCIECH ZOMERSKI (EN) warnt: Keine politische Kraft ist gegen die Versuchungen des Populismus immun â auch jene nicht, die vorgibt, uns vor dem Populismus zu retten.
Rettung vor dem Populismus versprechen sich viele in Deutschland von einem Parteiverbot der AfD. JOHANNES MAURER und NIKLAS SPAHR (DE) zeigen eine Alternative auf: Nach Art. 21 Abs. 3 GG können auch groĂe Parteien wie die AfD von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden.
Mit dem Ausschluss von staatlicher Finanzierung muss das Land Berlin dagegen kĂŒnftig vorsichtiger sein: Laut Bundesverfassungsgericht hat Berlin viele seiner Beamt*innen zu niedrig alimentiert. Warum uns das Problem auch ĂŒber Berlin hinaus noch weiter beschĂ€ftigen wird, erklĂ€rt SINAN KURT (DE).
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The ICJâs Climate Advisory Opinion is one of the most significant developments in international climate law. This new volume shows why â and explores its implications for global climate governance.
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Kurz vor Jahresende haben wir noch zwei Symposien gestartet.
Wir fragen uns: âWem gehört die Wissenschaft?â â und wem sollte sie gehören? Obwohl Wissen als öffentliches Gut prinzipiell unbegrenzt teilbar ist, wird der Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und Infrastrukturen durch ökonomische und rechtliche Strukturen beschrĂ€nkt. Zwischen kommerziellen Verlagsmodellen, staatlicher Finanzierung und Community-getragenen Open-Access-Initiativen stellen sich grundlegende Fragen nach Eigentum, Verantwortung und UnabhĂ€ngigkeit wissenschaftlicher Arbeit. Das Symposium ist ein Ergebnis des vom Bundesministerium fĂŒr Forschung, Technik und Raumfahrt geförderten Projekts âErwerbungslogik als Diamond-Open-Access-Hindernisâ. EVIN DALKILIC eröffnet die Debatte mit der Beobachtung, dass die âOpen-Access-Revolutionâ ihre Versprechen nicht eingelöst habe, doch noch sei nicht alles verloren. Wieso wir auf Amateure setzen sollten und was Sputnik 1 mit der Zeitschriftenkrise zu tun hat, zeigt ihr Beitrag. Dabei sind Vergangenheit und Gegenwart geprĂ€gt von staatlicher Informationskontrolle, Zensur und Desinformation. FĂŒr nationalistische Regierungen verstĂ€rke das Internet ihre FĂ€higkeit, Minderheiten und politische Gegner zu marginalisieren und zu entmenschlichen, schreibt PAUL T. JAEGER.
Das zweite Symposium âIn Good Faith: Freedom of Religion under Article 10 of the EU Charterâ beleuchtet die jĂŒngsten Entwicklungen zwischen Religionsfreiheit, Diskriminierungsverbot und Selbstbestimmung der Kirchen aus unionsrechtlicher Perspektive. JAKOB GASPERIN WISCHHOFF und TILL STADTBĂUMER fĂŒhren in das Symposium ein. ERICA HOWARD argumentiert, dass der Ansatz des EuGH in den Kopftuchentscheidungen die NeutralitĂ€t ĂŒberbetone und die intersektionale Dimension dieser FĂ€lle vernachlĂ€ssige. Angesichts der engen Auslegung der Religionsfreiheit durch den EuGH warnt ANDREA PIN, dass der Gerichtshof im Namen von NeutralitĂ€t und Antidiskriminierung die Religionsfreiheit â insbesondere von muslimischen Minderheiten â zu untergraben drohe und dabei die Vielfalt innerhalb Europas aus dem Blick verliere. Dagegen hĂ€lt RONAN McCREA den zurĂŒckhaltenden Ansatz des Gerichtshofs in arbeitsrechtlichen DiskriminierungsfĂ€llen fĂŒr klug, gerade vor dem Hintergrund des raschen religiösen Wandels in Europa. Nachdem Ăsterreich (erneut) ein Kopftuchverbot an Schulen fĂŒr MĂ€dchen unter 14 Jahren eingefĂŒhrt hat, zeigt MICHAEL LYSANDER FREMUTH, wie ein solches Verbot die Autonomie der MĂ€dchen schĂŒtzen, Segregation verhindern sowie Integration und Geschlechtergleichstellung fördern könnte. Dagegen erzeugt fĂŒr PETER BUSSJĂGER das Kopftuchverbot selbst Stigmatisierung.
Bei beiden Symposien erwarten Sie noch einige spannende BeitrĂ€ge, versprochen. Nur leider werden Sie diese selbst erstöbern mĂŒssen, bis wir am 9. Januar aus der Weihnachtspause zurĂŒckkehren. Sehen Sie es als verlĂ€ngerten Adventskalender, dessen TĂŒrchen Sie Tag fĂŒr Tag selbst öffnen dĂŒrfen. Ein bisschen wie bei Rolf Zuckowski: âWeihnachten, was war das noch? Denk schnell noch einmal nach. Bestimmt wird die Erinnerung in deinem Herzen wieder wach.â Hach, DezembertrĂ€ume.
In diesem Sinne: Fröhliche Feiertage und merry everything!
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Mit den besten WĂŒnschen,
Ihr
Verfassungsblog-Team
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What is there to say about 2025? The less, the better. To recapitulate all the grim highlights of this year, as one would normally expect of an end-of-year editorial, feels inappropriate to me. Not because I canât take it anymore and just want some peace and quiet, assuming the same of you. But because there is a powerful and dangerous pull exerted by the relentless doom and gloom â the endless predictions and diagnoses of disaster that have relentlessly filled news outlets and social-media feeds all year. Nothing gets better if we all end up mentally unwell.
âLast summer in peaceâ: Iâve learned that this phrase circulated among Polish and Baltic students in the summer of 2025. To me, it sounds neither cynical nor fatalistic, but refreshingly alive â precisely because it harbours no illusions. The best antidote to despair is still a clear, open and unsparing look at the world around us and at what may be coming.
This year, we carried out the Judicial Resilience Project. In dozens of conversations, we asked officials working in the judiciary what comes to mind when they start thinking seriously about the question: what happens if they are coming for us? We developed scenarios of what it might look like if authoritarian populists were to put their strategy into practice and close in on the independent judiciary. My deep respect and thanks go to Friedrich Zillessen, Anna-Mira Brandau, Lennart Laude, Juliana Talg, Etienne Hanelt, Emma Bruhn, Janos Richter, Jakob Weickert, Sophie Sendrowski, Jonathan Schramm, Annika Perlebach, Zita Nogrady and Vincent KĂŒhler, who made this project happen (and most of whom had already worked on the Thuringia Project before). My sense is that all of them emerged stronger from this experience â just like the people in the judiciary they spoke with.
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Research Fellow in Rule of Law, Accession and European Security
The Bingham Centre for the Rule of Law at BIICL is seeking a skilled and motivated Research Fellow to contribute to a strategic programme exploring the relationship between rule of law standards, European Union (EU) accession processes, and the evolving security challenges in Europe.
For full details of the role, person specification and application process, please visit our recruitment portal at: https://hr.breathehr.com/v/research-fellow-in-rule-of-law-44353 .
It is expected that interviews will take place in late January 2026.
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I am equally grateful to all the individuals and institutions whose donations made this project, and indeed the work of Verfassungsblog as a whole, possible. As an organisation, we have taken a huge step forward (thank you, Schmid Foundation and Robert Bosch Foundation!) â in management, HR, finance and communications, and in our ownership structure. We are more professional, more effective and more efficient than before. Our reach has grown dramatically: 3.5 million visits to our website, almost a million more than last year (and some of them from the International Court of Justice). We further developed our blog symposia and published twelve Verfassungsbooks, many of which sparked strong responses both in academia and beyond. My special thanks go to my long-time companion Evin Dalkilic, who played a crucial role in building Verfassungsblog as a publisher and as a voice in the open-access landscape â and who is now, after seven intense, adventurous and exhausting years, setting off for new horizons.
We are heading into the new year stronger, more resilient and â yes â more hopeful than we were a year ago. We will continue to make public what is known, and what needs to be known, about the state and future of democracy, the rule of law and human rights. Text by text â and soon also in a new design, on a cleaner, more functional and more modern website (finally!). We will continue to invest in developing scenarios and preparing for the strategies of institutional abuse through which authoritarian populism seems to be gaining power at an alarming pace. Next, we will turn our attention to knowledge institutions â universities and the media â and to their specific vulnerabilities. We will prepare for the state elections in Saxony-Anhalt and Mecklenburg-Western Pomerania, and for the possibility that the AfD may soon exercise executive power in those states. We will not be intimidated. We will resist the temptation to retreat into comforting fictions, identitarian nostalgia, escapism, denial, exclusion and hatred. We will equally resist the pull of despair. We will stay with this world and everything that happens in it: its beauty and its violence, including the harms for which our own country, our own government, and we ourselves bear responsibility. We will keep looking, keep asking, keep thinking. Eyes open, backs straight.
In that spirit: happy holidays! Letâs enjoy the time ahead. I mean it.
P.S.: None of this would be possible without your donations, of course. Please follow this link.
P.P.S.: The editorial now pauses for the holidays. Weâll be back on 9 January.
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Boredom is a scarce resource. Weâre already looking forward to the days when, after one mulled wine (or two), we can simply watch the fire in the fireplace burn for hours on end. But, as with any resource, overdosing is never a good idea. To spare you an intoxication during our Christmas break, weâve put together our favourite texts of the year for you.
MAXIM BĂNNEMANN
Much of what we do revolves around law: texts, norms, and the force of the better argument. This focus is very reasonable, but it can also obscure the fact that political communities often seek meaning beyond reason and rational discourse. For decades, PAUL W. KAHN has written about these blind spots in liberal theory. This year, he made his debut on Verfassungsblog with a piece on faith and violence in the United States. The secular US constitutional project, he argues, has always been a political-theological one. But as its appeal wanes, Christian nationalists are now moving to the centre of politics. Their message is not one of love, but of violence: âAmericaâs civil wars are not yet done.â Dark reading â but anyone who wants to counter the promises of authoritarianism must first understand their appeal.
EVA MARIA BREDLER
What do we do when the law is crumbling in our hands? Itâs a question weâve all been grappling with for years, but this year itâs been particularly acute. Iâll spare you the depressing annual review â youâve witnessed it all. Instead, let me invite you to read ITAMAR MANNâs answer. Even if the title doesnât sound particularly uplifting, he manages to choreograph a dance of animals âin the graveyard of international lawâ that makes me believe, once again, in its resurrection. For a successful performance, we need ostriches (who keep their heads deep in the international legal sand), owls (who, wise with age, recognise the problems and dream of a better law) â and, crucially, octopuses (who, serious yet playful, imagine and apply the law in entirely different ways). Which one(s) are you?
CHARLOTTE HERBERT
In my year as a digital editor, I have read and learned a great deal about transatlantic dependencies â by 2025, âdigital sovereigntyâ had become an omnipresent buzzword: its absence is blamed for almost all of todayâs technical, digital, and geopolitical ills. Dusty Europe meets thriving private companies, foremost among them Starlink.
In my favourite text of the year, Alina Utrata untangles the threads between state efforts toward digital independence, the growing political power of private companies, and private control over critical infrastructure. She examines the historical continuity of dependency between states and corporations â from imperial trading companies to modern cloud providers â all without losing the necessary dark, English-style sarcasm.
Frank but entertainingly, she argues that private companies must finally be recognised as political actors â and calls for nothing less than their democratisation: âCEOs should no longer be allowed to run their companies as petit-monarchs.â
JASPER NEBEL
Reading groups can be tricky â one person forgets to read, another doesnât like the book, and before you know it, the reading group is a thing of the past. Now imagine that, for once, everything is going great â until the intelligence agency shows up and says: âNope, your reading group is unconstitutional.â
Thatâs what happened in Hamburg. The intelligence agency office in Hamburg listed a Marxist reading group as unconstitutional in its annual report. And in its ruling, the Hamburg Administrative Court likewise casts doubt on Karl Marxâs loyalty to the constitution. BRUNO LEIPOLD took a closer look at the whole affair â and dismantles the ruling with scholarly precision. Meticulously, Leipold examines every sentence of the judgment, uncovers blatant misunderstandings, points out the non-diversity of sources (the court cited â if at all â only a single source), and arrives at the unsurprising conclusion: âIronically, the judges of the Hamburg Administrative Court would benefit from a Marx reading group to better participate in just such a debate.â
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We are delighted to announce that our next Max Planck Masterclass with Dr. Ana BobiÄ is now open for applications (deadline 22 March).
The Masterclass on âHegel and EU lawâ will take place on 26 â 29 Mai 2026 at the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law in Heidelberg, Germany.
More information can be found here.
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MAXIMILIAN STEINBEIS
Are scholars who use their authority and expert status to protest against authoritarian and illiberal politics compromising their scholarship? âScholactivismâ is the keyword under which this debate is being conducted. One of those who have spoken out particularly vehemently against activist scholarship is the Prague-based EU law scholar (and contributor to Verfassungsblog since 2012) JAN KOMĂREK. In the spring, while he was preparing for a fellowship at NYU, he felt the time had come for a gesture of resistance: in his VB Editorial of 4 April, he explicitly and publicly went on record with his views on Donald Trump and US policy towards Israel and Gaza â as an inspiration for other scholars who feel tempted to censor themselves out of fear for their entry visa, and as âan act of self-protection of my own dignity, since I may not have the courage to say these things when (and if) I enter the U.S. in the fall. ⊠I have yet to apply for my J1 visa. If I am denied, I will know why. But I will not participate in the act of submission that Trump and his people demand of all of us who wish to come to the United States as we knew it before their unconstitutional coup.â
JANA TRAPP
There are texts that strike so precisely at oneâs unease that their clarity almost startles: suddenly, what was blurred comes into focus, and what was only dimly felt finds its words. This is one of them. With surgical precision and an unfailing radar for self-serving nonsense, CHRISTINE MORGENSTERN lays bare a criminal policy in which the stateâs âprotection against violenceâ is framed in tellingly punitive terms. Her analysis shows how feminist criminology treads the fine line between carceral feminism, migration policy, and authoritarian temptation â and reminds us that nuance is not the luxury of coddled liberals but a democratic necessity: a way to redeem clarity from confusion. For me, this piece is a compass amid the tempests of criminal policy â offering precision where others trade in slogans.
JAKOB GAĆ PERIN WISCHHOFF
The full-scale invasion of Ukraine by Russia over the past nearly four years has shaped political shifts and changes in Europe and beyond. NATO capabilities in Europe, strained transatlantic alliances with unfriendly tariffs, and a renewed awareness of the need for strong and independent European foreign and security policy are all consequences of the requirements of these new realities. One of the issues still occupying European politicians and EU institutions is the frozen Russian funds. ANTON MOISEIENKO, in one of my favourite pieces this year, soberly situates the issue within a legal and political perspective â clear and straightforward.
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by CHARLOTTE HERBERT

White Christmas is a rare phenomenon in Germany â a wishful scenario which now seems even less likely than Friedrich Merz managing an international trip without a scandal. On the Zugspitze, Germanyâs highest mountain, temperatures are expected to reach seven degrees today; Iâve traded my coat for a denim jacket, and if you look closely, you can already spot the first baby crocuses pushing their way through the asphalt.
In this decidedly un-Christmassy mood, even several overly hot mulled wines offer little resistance, so I recently returned to my favourite (winter) book: Into Thin Air. Jon Krakauer recounts how, in 1996, he set off as a journalist with a small group to climb Mount Everest â an experience still relatively exclusive at the time. As Krakauer reveals right at the beginning of the book, the expedition is caught in a fierce storm which not all of them will survive. Krakauer himself gradually loses his grasp on reality at the summit due to the cold and lack of oxygen. With remarkable intensity, he captures both the chaos unleashed by natureâs ruthlessness and the absurdity and hubris of those who convince themselves they can master it.
An absolute reading recommendation for anyone looking to curl up over the holidays, to learn to appreciate those five degrees of drizzle they had been cursing just moments before â or simply in need of a book that reliably distracts from the strains of family Christmas.
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summarised by EVA MARIA BREDLER
As a child, the end of the year was a time of âDezembertrĂ€umeâ. These days, it feels more like December fever âquite literally. Here in the editorial team, weâre taking turns being ill. But also metaphorically: everyone seems determined to reach their 2025 goals within the last few weeks, giving it all, doing burpees, working through the night. A pre-Christmas pressure cooker for us â but a reading feast for you. Here we go:
For weeks, the debate revolved around whether frozen Russian state assets could be used to secure a loan for Ukraine. Today, an agreement has been reached on a âŹ90 billion loan â for now without directly tapping those frozen Russian funds. Still, the question remains relevant for the future. SIMON GEIERSBACH (GER) argues that even frozen assets can be used, and explains why an EU reparations loan to Ukraine could be both legally and fiscally sound.
This week, the EU also wrapped up another contentious issue just in time for Christmas. On Tuesday, the European Parliament adopted the controversial Omnibus I package, reshaping the CSDDD â and, by extension, Germanyâs Supply Chain Act. DANIEL SCHĂNFELDER and MICHAELA STREIBELT (ENG) summarise the most important practical changes for companies, particularly with regard to reporting and transparency obligations.
Transparency was also at the heart of the EUâs Digital Services Act. Article 40 opens up platform data for researchers â but for whom exactly? DAPHNE KELLER (ENG) argues that everything hinges on how âpublicly accessibleâ data are interpreted, and makes the case for a broad reading to fulfil the DSAâs transparency goals.
In early December, the European Commission issued its first DSA decision, criticising Xâs blue tick as allegedly misleading. For MARC ANDRĂ BOVERMANN (ENG), this misses the platformâs deeper structural problems and does little to rebuild trust.
Speaking of trust: TOMMASO PAVONE, SILJE SYNNĂVE LYDER HERMANSEN and LOUISA BOULAZIZ (ENG) draw on a new dataset of almost 7,000 ECJ rulings from 1962 to 2016 to analyse whether the Court protects the weak or the powerful more often. Their finding: individuals win more frequently than companies â in part because the ECJ actively offsets resource asymmetries.
Questions of power shifts also lay at the heart of the German Federal Constitutional Courtâs Egenberger judgment. For HEIKO SAUER (GER), it marked a turning point in European constitutional law. BENEDIKT RIEDL (GER) disagrees: even if Karlsruhe avoided open conflict with the ECJ this time, ultra vires review remains indispensable.
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Over the course of a year, Are We Europe, together with 28 journalists from over 15 EU countries, explored what it means to have your fundamental rights protected in the European Union (EU) today. The result is FOCUS, a digital and print publication which seeks to raise public awareness of the Charter of Fundamental Rights of the European Union (the Charter), its value, and its potential for broader application in day-to-day life. Telling stories that highlight the Charterâs workings â and shortcomings â is a key part of that.
Find out more at focus.areweeurope.eu and buy your print magazine at https://archive.areweeurope.com/store/p/focus-magazine/ .
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The Federal Constitutional Court also dealt with press freedom: Der Spiegel was allowed to name suspects in its reporting on Wirecard, as the Court has now confirmed. LIAM DRAF and GUNNAR DUTTGE (GER) warn that this weakens personality rights and exposes those concerned to the risk of public pre-judgment.
A very literal form of public pre-judgment is currently unfolding in the United States, KAI AMBOS (ENG) observes with concern. The US government has sanctioned the (then) Chief Prosecutor of the International Criminal Court and ICC judges for pursuing proceedings against Trump allies. âThe US sanctions policy thus proves to be not only an attack on the ICC, but an attack on the law itself.â Ambos explains the far-reaching effects of these sanctions â and why the EU must now respond.
Judicial independence is also under threat in Romania. On Monday, the ECtHR ruled in DanileÈ that judges cannot, in principle, be disciplined for publicly defending the rule of law. IURIE PATRICHEEV (ENG) welcomes the judgment as a timely intervention and explains what it means for Romaniaâs strained judiciary.
Unfortunately, the ECtHR itself is increasingly under pressure. More and more member states are threatening to withdraw from the ECHR â particularly over migration policy. Last week, Council of Europe ministers met to discuss how migration-related issues under the Convention might be recalibrated. JASPER KROMMENDIJK and LINA SOPHIE MĂLLER (ENG) analyse the December meeting, internal divisions among states, and the implications for the Court.
Poland, too, is now flirting with an ECHR exit â under none other than former pro-European Prime Minister Donald Tusk. His rhetoric increasingly echoes that of Viktor OrbĂĄn, even though Poland was once seen as a beacon of democratic resilience and recovery. WOJCIECH ZOMERSKI (ENG) sounds a warning: no political force is immune to the temptations of populism â not even those that claim to save us from it.
In Germany, many hope to fend off populism by banning the AfD. JOHANNES MAURER and NIKLAS SPAHR (GER) point to an alternative: under Article 21(3) of the Basic Law, even large parties like the AfD can be excluded from state funding.
Berlin, meanwhile, will have to tread more carefully when it comes to cutting off public funding: according to the Federal Constitutional Court, the city has underpaid many of its civil servants. SINAN KURT (GER) explains why this issue will continue to matter far beyond Berlin.
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The ICJâs Climate Advisory Opinion is one of the most significant developments in international climate law. This new volume shows why â and explores its implications for global climate governance.
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Just before the year draws to a close, we launched two new symposia.
The first asks: âWho owns science?â âand who should? Although knowledge is, in principle, a public good, access to academic publications and infrastructures is constrained by economic and legal structures. Between commercial publishing models, public funding, and community-driven open-access initiatives, fundamental questions arise about ownership, responsibility, and academic independence. The symposium emerged from the project âAcquisition Logic as a Barrier to Diamond Open Accessâ, funded by the German Federal Ministry of Research, Technology and Space. EVIN DALKILIC (ENG) opens the debate by arguing that the âopen access revolutionâ has failed to deliver on its promises âbut that all is not lost. Why we should rely on amateurs, and what Sputnik 1 has to do with the journal crisis, she explains in her contribution. Against this backdrop, the past and present are marked by state information control, censorship, and disinformation. For nationalist governments, PAUL T. JAEGER (ENG) writes, the internet amplifies their ability to marginalise and dehumanise minorities and political opponents.
Our second symposium, âIn Good Faith: Freedom of Religion under Article 10 of the EU Charterâ (ENG), examines the latest significant developments from an EU perspective, placing freedom of religion at the centre of analysis and critically assessing its operationalisation and interpretation in light of the EU Charter. JAKOB GASPERIN WISCHHOFF and TILL STADTBĂUMER kick off the debate. ERICA HOWARD argues that the CJEUâs approach in the headscarf cases overemphasises neutrality and neglects the intersectional dimension of the headscarf cases. Given the CJEUâs narrow reading of religious freedom, ANDREA PIN warns that the CJEU, in the name of neutrality and anti-discrimination, risks undermining religious freedom â especially for Muslim minorities â while ignoring diversity across Europe. Conversely, RONAN McCREA argues that the Courtâs deferential approach in workplace discrimination cases is wise in light of rapid religious change in Europe. Now that Austria has banned headscarves in schools for girls under 14 (again!), MICHAEL LYSANDER FREMUTH highlights how this may protect the girlsâ autonomy, prevent segregation, and promote integration and gender equality. For PETER BUSSJĂGER, however, the headscarf ban itself produces stigmatisation.
There are more great pieces to come in both symposia. For now, though, youâll have to explore them on your own until we return from the Christmas break on 9 January. Think of it as an extended Advent calendar, with a new door to open every day. A bit like Rolf Zuckowski: âChristmas â what was that again? Think quickly, think it through. The memory will surely come alive again in your heart.â Ah, December dreams.
And with that: happy holidays â and merry everything!
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Thatâs it for this week. Take care and all the best!
Yours,
the Verfassungsblog Team
Â
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Am Palindromtag 23.5.23 geschah, womit vermutlich nur Insider gerechnet hatten: Unter dem Titel âDie Gefahren beim wissenschaftlichen Publizierenâ veröffentlichte der Rat der EuropĂ€ischen Union in seiner 3949. Sitzung seine Schlussfolgerungen zum wissenschaftlichen Publikationswesen. Das klingt erstmal nach trockenem Lesestoff. Denn welche Gefahren könnten schon beim Publizieren wissenschaftlicher Texte lauern? Dass man sich den Finger an einer Papierkante schneidet? Eher unwahrscheinlich â das analoge Zeitalter ist ja lĂ€ngst passĂ©. Offensichtlich aber doch nicht lange genug, um alle Altlasten daraus zu entsorgen.
Zum Beispiel gibt es immer noch kommerzielle Verlage â jene Relikte aus der Ăra der Papierjournale â an die das BedĂŒrfnis der Wissenschaft nach Veröffentlichung ausgelagert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg erkannte ein gewisser Robert Maxwell das unternehmerische Potenzial dieser Nischenbranche und hĂ€ufte mit Macmillan und Pergamon Press (heute: Elsevier) ein betrĂ€chtliches Vermögen an. Seine Tochter â Ghislaine Maxwell, verurteilte SexualstraftĂ€terin â verdankt ihren Zugang zu Magnat Jeffrey Epstein also zum Teil den groĂzĂŒgigen Ăberweisungen wissenschaftlicher Institutionen an wissenschaftliche Verlage.
Mit Gewinnmargen von bis zu 40 Prozent zĂ€hlt das wissenschaftliche Verlagswesen zu den profitabelsten legalen GeschĂ€ftszweigen ĂŒberhaupt. Der Rat der EU benennt auch einen der GrĂŒnde fĂŒr diese RentabilitĂ€t: âDie PublikationskanĂ€le fĂŒr Forschende befinden sich hĂ€ufig in den HĂ€nden privater Unternehmen, die nicht selten die Kontrolle ĂŒber die Rechte des geistigen Eigentums an den Artikeln ĂŒbernehmen.â Da jeder wissenschaftliche Artikel naturgemÀà nur einmal publiziert wird, verfĂŒgen die Verlage ĂŒber ein strukturelles Monopol. Ohne Konkurrenz lassen sich Preise verlangen, die gerade noch so in die Etats öffentlicher Kassen passen â oder meist sogar etwas darĂŒber hinaus. Gleichzeitig sind mit der Digitalisierung klassische Kostenfaktoren wie Druck und Vertrieb weggefallen â was es den Verlagen ermöglicht, mittlerweile Preise bis zum Zehnfachen der eigentlichen Produktionskosten aus den ohnehin schon notleidenden Bibliotheken herauszupressen.
Angesichts dieses radikalen Fokus auf Gewinnmaximierung ĂŒberrascht es vermutlich wenig, dass die Verlage in den letzten Jahrzehnten weder in QualitĂ€tssicherung noch in FunktionalitĂ€t nennenswert investiert haben. Ausgerechnet die teuersten Journale publizieren heute die unzuverlĂ€ssigsten Studien. Immer mehr Stimmen sprechen von einer âReproduktionskriseâ, zuletzt sogar Donald Trump in seinem Erlass âRestoring Gold Standard Scienceâ vom 23. Mai 2025. FĂŒr Autor*Innen hat sich seit der EinfĂŒhrung der E-Mail-basierten Einreichung in den frĂŒhen 1990ern kaum etwas verbessert. Auch Gutachtende arbeiten weitgehend ohne nennenswerte UnterstĂŒtzung durch die Verlage, und das Endprodukt âwissenschaftlicher Artikelâ hat in etwa die digitalen FunktionalitĂ€ten eines abfotografierten Grabsteins.
Wenn die Verlage also mit ihren Auspressmethoden das Zehnfache ihrer Kosten einnehmen â warum machen sie dann ânurâ 40 Prozent Gewinn und nicht 90? Zum einen mĂŒssen selbstverstĂ€ndlich ein paar Privatjets und Luxusyachten fĂŒr die C-Suite angeschafft werden. Zum anderen investieren die Konzerne seit Jahren massiv in digitale Ăberwachungstechnik. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft setzte bereits 2021 eine Kommission ein, die zu dem Schluss kam, dass derart âunreguliertes bzw. unerkanntes Datentracking eine Verletzung der Wissenschaftsfreiheit und der Freiheit von Forschung und Lehre bedeutenâ könne.
Die Ăberwachung der Wissenschaft ist auch ein Grund, warum ich gemeinsam mit der Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte beim Landesbeauftragten fĂŒr Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-WĂŒrttemberg eine Datenschutzbeschwerde gegen die rechtswidrige Datenverarbeitung auf Verlagswebseiten eingereicht habe.
Warum konnten die Verlage â inzwischen zu globalen Databroker-Konzernen gewachsen â die Wissenschaft ĂŒber all die Jahrzehnte so hemmungslos parasitieren? Die zumeist prekĂ€r beschĂ€ftigten Autor*Innen mĂŒssen in etablierten Journalen publizieren, um ihre Chance auf eine feste Stelle zu wahren â von ihnen ist also keine Revolution zu erwarten. Die Bibliotheken wiederum bezahlen die Journale, in denen die Forschenden publizieren und die sie lesen mĂŒssen. Die Wissenschaft steckt in einem strukturellen AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnis mit monopolistischen GroĂkonzernen. Der Rat der EU nennt das nĂŒchtern: âlock-inâ â eingesperrt.
Derart eingesperrt werden vornehmlich jene Forschenden berufen und finanziell gefördert, die in den teuersten â pardon, renommiertesten â Journalen publizieren. Und diese Berufenen teilen ihr Erfolgsrezept natĂŒrlich bereitwillig mit ihren Studierenden. Dumm nur, dass ausgerechnet in diesen Journalen die unzuverlĂ€ssigste Wissenschaft erscheint. Man muss keine Expert*in fĂŒr Evolutionsbiologie sein, um zu begreifen, wie es dazu kommen konnte, dass etwa in der Krebsforschung heute nur noch rund zwölf Prozent der Fachliteratur reproduzierbar sind. Der Selektionsdruck wissenschaftlicher Karrierepfade wirkt eben nicht auf die QualitĂ€t, sondern auf den Preis des Sichtbarwerdens.
Mit den âGefahren beim wissenschaftlichen Publizierenâ meint der Rat der EU also nicht etwa die Gefahr, sich bei zu vielen FuĂnoten den Verstand zu verrenken. Gemeint ist: die Verschwendung öffentlicher Gelder durch ein Preismodell, das fĂŒr eine Leistung das Zehnfache der eigentlichen Kosten verlangt. Gemeint ist: die grundrechtsverletzende Praxis des Datentrackings durch globale Databroker. Gemeint ist: die systematische Belohnung von unverlĂ€sslicher Wissenschaft und die gleichzeitige strukturelle Bestrafung von VerlĂ€sslichkeit. Und gemeint ist: ein AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnis, das es der Wissenschaft unmöglich macht, sich aus dem WĂŒrgegriff dieser Konzerne selbst zu befreien.
Was also schlĂ€gt der Rat der EU als GegenmaĂnahme vor?
Unter anderem ermutigt er die Mitgliedstaaten und die Kommission, âinteroperable gemeinnĂŒtzige Infrastrukturen, mittels derer auf der Grundlage quelloffener Software und offener Standards publiziert werden kann, zu fördern und in diese zu investieren, um eine AbhĂ€ngigkeit von Diensteanbietern und proprietĂ€ren Systemen zu vermeiden, und diese Infrastrukturen mit der EuropĂ€ischen Cloud fĂŒr offene Wissenschaft zu verbindenâ. Im Klartext: Die kommerziellen Journale sollen durch eine öffentliche Infrastruktur ersetzt werden â eine, die sich nicht nur um Artikel, sondern auch um Forschungsdaten, Software und Code kĂŒmmert. Und bei der es nicht um Profit geht, sondern um QualitĂ€tssicherung, FunktionalitĂ€t und ZugĂ€nglichkeit.
Seit 2023 sind erste Umsetzungen bereits RealitĂ€t. In der bislang nur EU-geförderten Autor*Innen offenstehenden Open Access Publikationsplattform âOpen Research Europeâ (ORE) können ab 2026 alle Autor*Innen aus teilnehmenden LĂ€ndern ohne GebĂŒhren publizieren. Der Umbau der Plattform auf Open-Source-Software ist in vollem Gange. An einer dezentralen Erweiterung wird ebenfalls gearbeitet â mit dem Ziel, dass alle wissenschaftlichen Institutionen zum Aufbau beitragen können. In nur zwei Jahren hat die EU ihre AnkĂŒndigungen in konkrete MaĂnahmen gegossen und ist damit auf bestem Wege, etwas zu schaffen, das alles ĂŒbertrifft, was die kommerziellen Anbieter in den letzten Jahrzehnten zustande gebracht haben.
Wenn man die Konsequenzen dieses Weges zu Ende denkt, wird deutlich: Hier wird nicht weniger versucht als die Zerschlagung der Monopole â durch den vollstĂ€ndigen Ersatz der Journale, wie wir sie seit 1665 kennen, mit einer dezentralen Infrastruktur. Angesichts der beschriebenen MissstĂ€nde erscheint diese MaĂnahme nicht nur als sinnvoll, sondern als ĂŒberfĂ€llig. Schon vor Veröffentlichung der Schlussfolgerungen des Rates der EU war in der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Ruf nach einem modernen, wissenschaftsgeleiteten Ersatz immer lauter geworden, unter anderem von einer Gruppe von Expert*Innen der auch ich angehöre. Die BeschlĂŒsse des Rates sind daher ein Paradebeispiel fĂŒr evidenzbasierte Politik und können gar nicht hoch genug gelobt werden. In einer Lage, in der die Wissenschaft alleine handlungsunfĂ€hig geworden ist, reicht ihr die EuropĂ€ische Kommission die Hand â und unterstĂŒtzt sie im Kampf gegen die globalen Ăberwachungskonzerne.
Es werden vermutlich jedoch noch weitere Hilfestellungen nötig sein, um die Wissenschaft vollstĂ€ndig aus den Klauen der Konzerne zu befreien. Denn ein Ersatz bedeutet noch nicht, dass er auch tatsĂ€chlich genutzt wird â schon gar nicht bevorzugt. Denn Autor*innen sind eben nicht frei in der Wahl ihres Publikationsortes.
Zwei zusĂ€tzliche Schritte könnten hier unterstĂŒtzend beitragen:
Zum einen könnten Forschungsförderer die UnterstĂŒtzung von ORE â und die lokale Implementierung der zugehörigen Infrastruktur â zur Voraussetzung fĂŒr ihre Förderentscheidungen machen. Das wĂ€re kein radikaler Paradigmenwechsel: Alle solche Förderer stellen bereits analoge Anforderungen und mĂŒssten sie nur um eine entsprechende digitale Anforderung erweitern.
Zum anderen könnten Rechnungshöfe ihren Teil dazu beitragen, den Geldstrom von den Konzernen zu den geforderten âinteroperablen gemeinnĂŒtzigen Infrastrukturenâ umzuleiten. Bis heute wird in vielen FĂ€llen noch immer einzeln mit den alten Verlagen verhandelt. FrĂŒher war das noch rechtlich zulĂ€ssig: Wenn Verlage als einzige Bezugsquelle galten, durften VertrĂ€ge mit ihnen auch ohne Ausschreibung abgeschlossen werden â im Vergaberecht spricht man von einem âVerhandlungsverfahren ohne Bekanntmachungâ (vgl. § 17 V VgV). In der Praxis entsprach das einer Art faktischer Monopolausnahme.
Zumeist geht es heute jedoch lĂ€ngst nicht mehr um den Zugang zu exklusiven Inhalten, sondern um Publikationsdienstleistungen. Und diese können â Ăberraschung â nicht nur groĂe Verlage erbringen. TatsĂ€chlich sind alle Anbieter auf dem Markt technisch in der Lage, solche Leistungen bereitzustellen. Die meisten von ihnen halten sich sogar an den sogenannten JATS-Standard: Die aus Manuskripten generierten Dateien â ob PDF, XML oder HTML â sind also nicht nur im gleichen Format, sondern auch noch standardisiert. Bessere Voraussetzungen fĂŒr die Substituierbarkeit von Dienstleistungen gibt es kaum â und genau diese Substituierbarkeit ist die rechtliche Voraussetzung fĂŒr Ausschreibungen.
Folglich sollten die Rechnungshöfe wissenschaftliche Einrichtungen dazu anhalten, Publikationsdienstleistungen nicht lĂ€nger exklusiv zu verhandeln, sondern auszuschreiben â so wie sie es auch beim Einkauf von Hardware, bei Reinigungsdienstleistungen oder bei allem anderen tun mĂŒssen.
Auch hier hat die EuropĂ€ische Kommission eindrucksvoll vorgemacht, wie das aussehen kann. Als öffentliche Einrichtung hatte sie â ganz analog zu jeder UniversitĂ€t â einen Bedarf an Publikationsdienstleistungen fĂŒr die von ihr geförderten Forschenden. Anders als viele andere Institutionen hat sie diesen Bedarf jedoch nicht im Hinterzimmer mit Elsevier & Co. verhandelt, sondern sauber und kompetitiv ausgeschrieben. Das Ergebnis hieĂ: ORE.
Wenn sich die Rechnungshöfe dieses Themas annÀhmen, wÀren die wissenschaftlichen Einrichtungen gezwungen, ihre Publikationsbedarfe ebenso transparent und wettbewerblich zu behandeln wie alle anderen Beschaffungsprozesse.
Nun mag man einwenden, die Wissenschaftsfreiheit umfasse auch die freie Wahl des Publikationsortes. Doch dem lĂ€sst sich gleich doppelt widersprechen: Zum einen haben Autor*innen de facto ohnehin keine echte Wahl â sie mĂŒssen schon jetzt dort publizieren, wo es ihre Karriere verlangt. Zum anderen ist die Wissenschaftsfreiheit primĂ€r ein Abwehrrecht gegenĂŒber staatlicher Einflussnahme â sie begrĂŒndet aber keinen Anspruch auf Finanzierung jeder individuell bevorzugten Publikationsform. Erst recht nicht, wenn diese Bevorzugung in eine Struktur fĂŒhrt, die Steuermittel verschwendet, Grundrechte verletzt, unzuverlĂ€ssige Wissenschaft belohnt â und die wissenschaftliche Praxis insgesamt in Geiselhaft nimmt.
Wer heute dennoch in den alten Journalen veröffentlichen möchte, sollte in der Tat sĂ€mtliche damit verbundenen Kosten selbst tragen â sowohl die finanziellen als auch alle anderen. Wenn, wie man hoffen kann, bei mehr als nur adĂ€quatem Ersatz nur noch ein Bruchteil der bisherigen Autor*Innen dazu bereit ist, wĂŒrde es bald auch keine Journale mehr geben, in denen irgendjemand eine Publikation fordern kann.
Ein nĂ€chster Schritt fĂŒr die EU könnte nun sein, auĂerhalb Europas nach Partnern zu suchen, die bereit sind, Ă€hnliche Wege zu gehen und mit ihnen das dezentrale Netz âinteroperabler gemeinnĂŒtziger Infrastrukturenâ weiter auszubauen. Wenn erst alle europĂ€ischen Institutionen ihren Teil zu dieser neuen Infrastruktur beitragen, werden andere wissenschaftliche Einrichtungen weltweit nicht lange zögern, ebenfalls Teil dieses globalen Netzwerks zu werden â ganz so, wie sie in den 1990ern alle Teil des Internets werden wollten.
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Feed Titel: Verfassungsblog
Was soll man sagen ĂŒber dieses Jahr 2025? Je weniger, desto besser. Die ganzen grimmigen Höhepunkte des Jahres zu rekapitulieren, wie man es sonst von einem Jahresend-Editorial erwarten wĂŒrde, erscheint mir unangemessen. Nicht weil ich das alles nicht mehr ertragen und meine Ruhe haben und Ihnen das Gleiche unterstellen will. Sondern weil ein mĂ€chtiger und gefĂ€hrlicher Sog ausgeht von dem fortdauernden Doom and Gloom, den ununterbrochenen Schreckenspro- und -diagnosen, die so unerbittlich die NachrichtenkanĂ€le und Social-Media-Timelines gefĂŒllt haben in diesem Jahr. Nichts wird besser, wenn wir alle gemĂŒtskrank werden.
âLast summer in peaceâ: Dieser Spruch war, wie ich gelernt habe, im Sommer 2025 unter polnischen und baltischen Studierenden populĂ€r. Mir erscheint er weder zynisch noch fatalistisch, sondern erfrischend lebensfroh, gerade in und wegen seiner Illusionslosigkeit. Das beste Mittel gegen die Verzweiflung ist immer noch ein klarer, offener und schonungsloser Blick auf das, was uns umgibt und was auf uns zukommt.
Wir haben in diesem Jahr das Justiz-Projekt umgesetzt. Wir haben in Dutzenden von GesprĂ€chen ermittelt, was Menschen im Justizdienst einfĂ€llt, wenn sie anfangen, sich mit dieser Frage zu beschĂ€ftigen: Was kommt da auf uns zu? Wir haben Szenarien ermittelt, wie es aussehen könnte, wenn autoritĂ€re Populisten ihre Strategie umsetzen und die unabhĂ€ngige Justiz in die Zange nehmen. Mein tiefer Respekt und Dank gilt Friedrich Zillessen, Anna-Mira Brandau, Lennart Laude, Juliana Talg, Etienne Hanelt, Emma Bruhn, Janos Richter, Jakob Weickert, Sophie Sendrowski, Jonathan Schramm, Annika Perlebach, Zita Nogrady und Vincent KĂŒhler, die dieses Projekt (und die meisten von ihnen davor schon das ThĂŒringen-Projekt) umgesetzt haben. Sie alle, so mein Eindruck, gehen gestĂ€rkt aus dieser Erfahrung hervor. Genau wie ihre GesprĂ€chspartner*innen in der Justiz.
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Research Fellow in Rule of Law, Accession and European Security
The Bingham Centre for the Rule of Law at BIICL is seeking a skilled and motivated Research Fellow to contribute to a strategic programme exploring the relationship between rule of law standards, European Union (EU) accession processes, and the evolving security challenges in Europe.
For full details of the role, person specification and application process, please visit our recruitment portal at: https://hr.breathehr.com/v/research-fellow-in-rule-of-law-44353 .
It is expected that interviews will take place in late January 2026.
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Mein Dank gilt genauso all den Menschen und Institutionen, die mit ihren Spenden dieses Projekt und ĂŒberhaupt die Arbeit des Verfassungsblogs möglich gemacht haben. Wir haben uns als Organisation enorm weiterentwickelt (danke, Schmid-Stiftung und Robert-Bosch-Stiftung!), in der GeschĂ€ftsfĂŒhrung, im Personal-, Finanz- und Kommunikationsmanagement, in der EigentĂŒmerstruktur. Wir sind professioneller, effektiver und effizienter geworden. Wir haben unsere Reichweite massiv ausgeweitet: 3,5 Millionen Besuche hatten wir auf unserer Website, fast eine Million mehr als im letzten Jahr (und manche davon vom Internationalen Gerichtshof). Wir haben unsere Blog-Symposien weiterentwickelt und zwölf Verfassungsbooks publiziert, viele davon mit groĂer Resonanz in der Wissenschaft und der Ăffentlichkeit. Mein besonderer Dank gilt meiner WeggefĂ€hrtin Evin Dalkilic, die den Verfassungsblog als Verlag und wichtigen Player in der Open-Access-Landschaft maĂgeblich aufgebaut hat und jetzt, nach sieben aufregenden, abenteuerlichen und anstrengenden Jahren Verfassungsblog, zu neuen Ufern aufbricht.
Wir gehen stĂ€rker, robuster und, ja, auch zuversichtlicher ins neue Jahr als letztes Jahr um diese Zeit. Wir werden weiter öffentlich machen, was gewusst wird und gewusst werden muss ĂŒber Zustand und Zukunft von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Text fĂŒr Text â und bald auch in neuem Design, auf einer aufgerĂ€umteren, funktionaleren, moderneren Website (endlich!). Wir werden weiter investieren in die Ermittlung von Szenarien und in die Vorbereitung auf die Strategien des Institutionenmissbrauchs, mit denen der autoritĂ€re Populismus scheinbar unaufhaltsam immer mehr an Macht gewinnt. Wir werden uns als nĂ€chstes die Wissensinstitutionen anschauen, die Hochschulen, die Medien und ihre jeweiligen Verwundbarkeiten. Wir werden uns auf die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern vorbereiten und auf die Möglichkeit, dass dort bald die AfD Exekutivmacht ausĂŒbt. Wir werden uns nicht unterkriegen lassen. Wir werden weder der Versuchung nachgeben, uns in identitĂ€re, rĂŒckwĂ€rtsgewandte Scheinidyllen, in Weltflucht, Wahrnehmungsverweigerung, Ab- und Ausgrenzung und Hass zu flĂŒchten, noch dem Sog der Depression. Wir werden sie weiter an uns heranlassen, diese Welt und alles, was in ihr passiert, all ihre Schrecken â auch die von unserem Land, unserer Regierung, uns selbst mitverursachten â eingeschlossen. Wir werden uns weiter anschauen, was da los ist, was es damit auf sich hat und was davon zu halten ist. Wir werden die Augen offen halten und den RĂŒcken gerade.
In diesem Sinne: frohe Feiertage! GenieĂen wir die Zeit, die auf uns zukommt. I mean it.
P.S.: Das geht natĂŒrlich alles nicht ohne Ihre Spenden. Bitte hier entlang!
P.P.S.: Das Editorial geht hiermit in die Feiertagspause. Wir sehen uns am 9. Januar wieder!
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Langeweile ist eine knappe Ressource. Wir freuen uns schon auf die Tage, in denen wir nach ein, zwei GlĂŒhwein einfach nur stundenlang dem Kaminfeuer beim Brennen zuschauen können. Doch wie bei jeder Ressource macht auch bei der Langeweile die Dosis das Gift. Um Sie in unserer Weihnachtspause vor einer Ăberdosis zu bewahren, haben wir unsere Lieblingstexte des Jahres fĂŒr Sie zusammengestellt.
MAXIM BĂNNEMANN
Bei uns geht es viel ums Recht. Um Texte, Normen und die Kraft des besseren Arguments. Das ist zwar sehr vernĂŒnftig, verstellt bisweilen aber den Blick darauf, dass politische Gemeinschaften ihren Sinn auch in Quellen auĂerhalb von Vernunft und rationalem Diskurs suchen. PAUL W. KAHN schreibt seit Jahrzehnten ĂŒber diese Leerstellen liberaler Theorie. Dieses Jahr hatte er mit einem Text ĂŒber Glauben und Gewalt in den Vereinigten Staaten sein DebĂŒt auf dem Verfassungsblog. Auch das sĂ€kulare US-amerikanische Verfassungsprojekt sei schon immer ein politisch-theologisches Projekt gewesen. Doch wĂ€hrend dessen Anziehungskraft schwinde, rĂŒckten nun christliche Nationalisten in das Zentrum der Politik. Ihre Botschaft sei keine der Liebe, sondern eine der Gewalt: âAmericaâs civil wars are not yet done.â DĂŒstere LektĂŒre â aber wer autoritĂ€ren Heilsversprechen etwas entgegensetzen möchte, muss sie zuerst verstehen.
EVA MARIA BREDLER
Was tun, wenn das Recht in unseren HĂ€nden zerbröselt? Die Frage treibt uns schon lange um, aber dieses Jahr besonders. Ich erspare Ihnen den deprimierenden JahresrĂŒckblick, Sie waren ja dabei. Viel lieber möchte ich Ihnen die Antwort von ITAMAR MANN ans Herz legen. Auch wenn der Titel nicht besonders erbaulich klingt: Mann gelingt es, âauf dem Friedhof des Völkerrechtsâ einen Totentanz der Tiere aufzufĂŒhren, der mich an die Auferstehung des Rechts glauben lĂ€sst. DafĂŒr braucht es StrauĂe (die ihren Kopf tief in den völkerrechtlichen Sand stecken), Eulen (die altersweise die Probleme erkennen und von einem besseren Recht trĂ€umen) und â wichtig â Oktopusse (die ernsthaft, aber verspielt das Recht ganz anders anwenden). Welches Tier sind Sie?
CHARLOTTE HERBERT
In meinem Jahr als Redakteurin fĂŒr Digitales habe ich viel gelesen und gelernt ĂŒber transatlantische AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnisse â âdigitale SouverĂ€nitĂ€tâ ist 2025 zum omniprĂ€senten Lieblingsschlagwort geworden: Ihrem Fehlen werden beinah alle technischen, digitalen und geopolitischen Ăbel der Gegenwart zugeschrieben. Staubiges Europa trifft auf prosperierende Privatunternehmen, allen voran Starlink.
In meinem Lieblingstext des Jahres entwirrt ALINA UTRATA die FĂ€den zwischen staatlichen Bestrebungen nach digitaler UnabhĂ€ngigkeit, wachsender politischer Macht privater Unternehmen und privater Kontrolle kritischer Infrastrukturen. Sie beleuchtet dabei die historische KontinuitĂ€t von staatlicher KonzernabhĂ€ngigkeit â von imperialen Handelsgesellschaften bis hin zu modernen Cloud-Anbietern â und das, ohne den hier unbedingt erforderlichen, dunklen, englischen Sarkasmus zu verlieren.
Wenig beschönigend, aber dennoch unterhaltsam, fordert sie, Privatunternehmen endlich als politische Akteure zu begreifen â und nicht weniger als ihre Demokratisierung. CEOs dĂŒrfen ihre Firmen nicht lĂ€nger wie kleine Monarchen fĂŒhren!
JASPER NEBEL
Lesekreise sind ja so eine Sache â der eine vergisst zu lesen, die andere findet das Buch schlecht, und schon ist der Lesekreis auch wieder Geschichte. Nun stellen Sie sich vor, dass ausnahmsweise alles super lĂ€uft, aber dann der Verfassungsschutz kommt und sagt: Nix da, euer Lesekreis ist verfassungswidrig.
So geschehen in Hamburg: Der dortige Verfassungsschutz hatte in seinem Verfassungsschutzbericht einen marxistischen Lesekreis als verfassungswidrig aufgefĂŒhrt. Und auch das VG Hamburg zweifelt in seinem Urteil an der Verfassungstreue von Karl Marx. BRUNO LEIPOLD hat sich das Ganze genauer angeschaut â und nimmt das Urteil nach allen Regeln der Kunst auseinander. Akribisch knöpft sich Leipold jeden Satz des Urteils vor, deckt eklatante MissverstĂ€ndnisse auf, weist auf die Nicht-Vielfalt der Quellen hin (das VG zitierte â wenn ĂŒberhaupt â eine Quelle) und kommt zu dem wenig ĂŒberraschenden Schluss: âIronisch ist, dass die Richter des Hamburger Verwaltungsgerichtes von einem Marx-Lesekreis profitieren wĂŒrden, um an einer solchen Debatte besser teilnehmen zu können.â
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We are delighted to announce that our next Max Planck Masterclass with Dr. Ana BobiÄ is now open for applications (deadline 22 March).
The Masterclass on âHegel and EU lawâ will take place on 26 â 29 Mai 2026 at the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law in Heidelberg, Germany.
More information can be found here.
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MAXIMILIAN STEINBEIS
Wissenschaftler*innen, die ihre AutoritĂ€t und Expertise zum Protest gegen autoritĂ€re und illiberale Politik einsetzen, kompromittieren sich als Wissenschaftler*innen? âScholactivismâ ist das Stichwort, unter dem diese Debatte gefĂŒhrt wird. Einer von denen, die sich besonders vehement gegen aktivistische Wissenschaft ausgesprochen haben, ist der Prager Europarechtler (und Verfassungsblog-Autor seit 2012) JAN KOMĂREK. Als er sich im FrĂŒhjahr auf ein Fellowship an der NYU vorbereitete, sah er die Zeit fĂŒr eine Geste des Widerstands gekommen: In seinem Editorial vom 4. April gab er explizit und öffentlich zu Protokoll, was er von Donald Trump und der US-Politik gegenĂŒber Israel und Ghaza hĂ€lt â als Inspiration fĂŒr andere Wissenschaftler*innen, die sich versucht sehen, sich aus Angst um ihr Einreisevisum selbst zu zensieren, und um seine âeigene WĂŒrde (zu) bewahren, denn vielleicht fehlt mir der Mut, diese Dinge auszusprechen, sollte ich im Herbst in die USA einreise. ⊠Sollte mein Antrag abgelehnt werden, weiĂ ich warum. Doch ich werde mich nicht an dem Akt der Unterwerfung beteiligen, den Trump und seine AnhĂ€nger von all jenen verlangen, die in die Vereinigten Staaten reisen wollen â in das Land, wie wir es kannten, bevor dieser verfassungswidrige Putsch begann.â
JANA TRAPP
Es gibt Texte, die treffen beim Lesen so prĂ€zise ins eigene Unbehagen, dass die Klarheit einen fast schon unangenehm ĂŒberfĂ€llt: Plötzlich ist sortiert, was diffus war, und benannt, was vorher nur vage gespĂŒrt wurde. Dieser gehört dazu: Messerscharf und mit geduldigem Unfug-Detektor legt CHRISTINE MORGENSTERN eine Kriminalpolitik offen, in der der Staat seinen âGewaltschutzâ verdĂ€chtig strafrechtlich konstruiert. Der Text zeigt, wie feministische Kriminalwissenschaft zwischen Carceral Feminism, Migrationspolitik und autoritĂ€ren Versuchungen balanciert. Und dass Differenzierung kein Luxus verwöhnter Liberaler ist, sondern demokratische Notwendigkeit: um die Not zu wenden. FĂŒr mich ist dieser Beitrag ein Kompass inmitten kriminalpolitischer Sturmhöhen, der statt Parolen pointierte PrĂ€zision bietet.
JAKOB GAĆ PERIN WISCHHOFF
Die umfassende Invasion der Ukraine durch Russland in den vergangenen fast vier Jahren hat zu politischen Verschiebungen und VerĂ€nderungen in Europa und darĂŒber hinaus gefĂŒhrt. Die NATO-FĂ€higkeiten in Europa, angespannte transatlantische Allianzen mit unfreundlichen Zöllen sowie ein erneuertes Bewusstsein fĂŒr die Notwendigkeit einer starken und unabhĂ€ngigen europĂ€ischen AuĂen- und Sicherheitspolitik sind allesamt Konsequenzen der Anforderungen dieser neuen RealitĂ€ten. Eines der Themen, das nach wie vor europĂ€ische Politiker:innen und EU-Institutionen beschĂ€ftigt, sind die eingefrorenen russischen Gelder. ANTON MOISEIENKO stellt in einem meiner LieblingsbeitrĂ€ge dieses Jahres die Thematik nĂŒchtern aus rechtlicher und politischer Perspektive dar â klar und nachvollziehbar.
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von CHARLOTTE HERBERT

WeiĂe Weihnachten sind in Deutschland ein rares PhĂ€nomen â ein Wunschszenario, dessen Eintritt inzwischen unwahrscheinlicher scheint als eine Auslandsreise von Friedrich Merz ohne Eklat. Auf der Zugspitze, dem höchsten Berg des Landes, werden heute sieben Grad erwartet; ich habe meinen Mantel gegen eine Jeansjacke getauscht, und wenn man genau hinsieht, erkennt man bereits die ersten Babykrokusse, die sich durch den Asphalt schieben.
In dieser unweihnachtlichen Stimmung, der selbst mehrere (zu) heiĂe GlĂŒhweine wenig entgegensetzen können, habe ich kĂŒrzlich wieder zu meinem liebsten (Winter-)Buch gegriffen: In eisigen Höhen von Jon Krakauer. Darin schildert er, wie er 1996 als Journalist mit einer kleinen Gruppe aufbrach, um den Mount Everest zu besteigen (damals noch eine recht exklusive Erfahrung). Die Expedition â wie Krakauer gleich auf der ersten Seite vorwegnimmt â gerĂ€t in ein heftiges Unwetter, das nicht alle ĂŒberleben werden. Krakauer, der auf dem Gipfel selbst zunehmend unter KĂ€lte und Sauerstoffmangel den Verstand verliert, beschreibt mit einzigartiger IntensitĂ€t das Chaos, das die Unbarmherzigkeit der Natur dort oben entfesselt â aber auch die AbsurditĂ€t und den GröĂenwahn, dem Menschen verfallen, wenn sie glauben, sie könnten die Natur bezwingen.
Eine absolute Leseempfehlung fĂŒr alle, die sich ĂŒber die Feiertage einkuscheln möchten, die ihre eben noch verhassten fĂŒnf Grad Nieselregen zu schĂ€tzen lernen wollen â oder einfach eine LektĂŒre brauchen, die zuverlĂ€ssig von den Strapazen familiĂ€rer Weihnachtlichkeiten ablenkt.
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zusammengefasst von EVA MARIA BREDLER
Als Kind war das Jahresende eine Zeit der âDezembertrĂ€umeâ. Inzwischen herrscht eher Dezemberfieber, quite literally â wir in der Redaktion wechseln uns ab mit dem Kranksein. Aber auch metaphorisch: GefĂŒhlt wollen alle auf die letzten Meter noch schnell die Jahresziele erreichen; sie arbeiten, machen Burpees und schreiben die NĂ€chte durch â ein vorweihnachtlicher Arbeitsschlauch fĂŒr uns, aber ein Lesefeuerwerk fĂŒr Sie. Los gehtâs:
Wochenlang wurde diskutiert, ob sie eingefrorenes Staatsvermögen Russlands fĂŒr einen Kredit fĂŒr die Ukraine nutzen soll. Heute hat sie sich auf einen 90-Milliarden-Kredit geeinigt â vorerst ohne direkte Nutzung der eingefrorenen russischen Gelder. Doch die Frage bleibt auch fĂŒr die Zukunft interessant. SIMON GEIERSBACH (DE) hĂ€lt die Gelder auch eingefroren fĂŒr nutzbar und zeigt, warum ein solches EU-Reparationsdarlehen an die Ukraine rechtlich und finanzpolitisch tragfĂ€hig sein kann.
Diese Woche hat die EU auch einen weiteren Streitpunkt vorweihnachtlich aufgelöst: Am Dienstag verabschiedete das EuropĂ€ische Parlament das umstrittene Omnibus I-Paket, das die CSDDD â und damit indirekt auch das deutsche LkSG â neu gestaltet. DANIEL SCHĂNFELDER und MICHAELA STREIBELT (EN) fassen die fĂŒr Unternehmen wichtigsten praktischen Ănderungen zusammen, vor allem fĂŒr Berichts- und Transparenzpflichten.
Um Transparenz ging es der EU auch mit dem Digital Services Act. Dessen Artikel 40 öffnet Plattformdaten fĂŒr Forschende â doch fĂŒr wen genau? DAPHNE KELLER (EN) hĂ€lt die Auslegung von âöffentlich zugĂ€nglichenâ Daten fĂŒr maĂgeblich und plĂ€diert fĂŒr eine weite Auslegung, um die Transparenzziele des DSA zu erreichen.
Anfang Dezember erlieĂ die EuropĂ€ische Kommission ihre erste DSA-Entscheidung und beanstandete darin Xs blaues HĂ€kchen als angeblich irrefĂŒhrend. FĂŒr MARC ANDRĂ BOVERMANN (EN) verkennt die EuropĂ€ische Kommission damit die strukturellen Probleme der Plattform und trĂ€gt nur wenig zur Vertrauensbildung bei.
Apropos Vertrauensbildung: TOMMASO PAVONE, SILJE SYNNĂVE LYDER HERMANSEN und LOUISA BOULAZIZ (EN) untersuchen anhand eines neuen Datensatzes mit fast 7.000 Urteilen von 1962 bis 2016, ob der EuGH die Schwachen oder die MĂ€chtigen hĂ€ufiger schĂŒtzt. Ihr Ergebnis: Individualpersonen gewinnen hĂ€ufiger als Unternehmen, unter anderem weil der EuGH Ressourcenungleichheiten ausgleicht.
Um Machtverschiebungen ging es auch im Egenberger-Urteil des BVerfG. FĂŒr HEIKO SAUER (DE) markierte das Urteil einen Kurswechsel im Europaverfassungsrecht. BENEDIKT RIEDL (DE) hĂ€lt dagegen: Karlsruhe hat diesmal zwar nicht den Konflikt mit dem EuGH gesucht, die Ultra-vires-Kontrolle bleibt aber trotzdem unerlĂ€sslich.
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Over the course of a year, Are We Europe, together with 28 journalists from over 15 EU countries, explored what it means to have your fundamental rights protected in the European Union (EU) today. The result is FOCUS, a digital and print publication which seeks to raise public awareness of the Charter of Fundamental Rights of the European Union (the Charter), its value, and its potential for broader application in day-to-day life. Telling stories that highlight the Charterâs workings â and shortcomings â is a key part of that.
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BeschĂ€ftigt hat das BVerfG zudem die Pressefreiheit: Der SPIEGEL durfte in der Berichterstattung ĂŒber Wirecard die VerdĂ€chtigen namentlich nennen, wie das Gericht nun entschied. LIAM DRAF und GUNNAR DUTTGE (DE) warnen: Dies schwĂ€cht Persönlichkeitsrechte und setzt Betroffene dem Risiko öffentlicher Vorverurteilung aus.
Eine buchstĂ€bliche öffentliche Vorverurteilung beobachtet KAI AMBOS (DE) mit Besorgnis in den USA. Die US-Regierung sanktionierte den damaligen ChefanklĂ€ger des Internationalen Strafgerichtshofs und IStGH-Richter, weil diese Strafverfahren gegen Trumps Parteifreunde betrieben haben: âDie US-Sanktionspolitik gegen den Internationalen Strafgerichtshof ist nicht nur ein Angriff auf den IStGH, sondern auf das Recht schlechthin.â Ambos erklĂ€rt die gravierende Wirkung der Sanktionen â und warum die EuropĂ€ische Union jetzt reagieren muss.
Auch in RumĂ€nien ist die richterliche UnabhĂ€ngigkeit in Gefahr. Am Montag entschied nun der EGMR im Fall DanileÈ, dass Richter*innen grundsĂ€tzlich nicht dafĂŒr diszipliniert werden können, öffentlich den Rechtsstaat zu verteidigen. IURIE PATRICHEEV (EN) begrĂŒĂt das als wichtige Intervention zum richtigen Zeitpunkt und erklĂ€rt, was das Urteil fĂŒr RumĂ€niens belastete Justiz bedeutet.
Leider ist inzwischen auch der EGMR selbst in Gefahr: Immer mehr Mitgliedstaaten drohen damit, die EMRK zu verlassen â vor allem aus migrationspolitischen GrĂŒnden. Letzte Woche trafen sich die Minister*innen des Europarats, um zu diskutieren, wie sich Migrationsfragen unter der EMRK potenziell neu ausrichten lassen. JASPER KROMMENDIJK und LINA SOPHIE MĂLLER (EN) analysieren das Dezember-Treffen, die inneren Spannungen unter den Staaten und die Folgen fĂŒr den EGMR.
Auch Polen erwĂ€gt den EMRK-Austritt â und das unter dem frĂŒher proeuropĂ€ischen Premierminister Donald Tusk. Dessen politische Rhetorik lĂ€sst sich inzwischen fast mit der von Viktor OrbĂĄn verwechseln, nachdem Polen als HoffnungstrĂ€ger fĂŒr rechtsstaatliche Widerstands- und ErholungsfĂ€higkeit galt. WOJCIECH ZOMERSKI (EN) warnt: Keine politische Kraft ist gegen die Versuchungen des Populismus immun â auch jene nicht, die vorgibt, uns vor dem Populismus zu retten.
Rettung vor dem Populismus versprechen sich viele in Deutschland von einem Parteiverbot der AfD. JOHANNES MAURER und NIKLAS SPAHR (DE) zeigen eine Alternative auf: Nach Art. 21 Abs. 3 GG können auch groĂe Parteien wie die AfD von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden.
Mit dem Ausschluss von staatlicher Finanzierung muss das Land Berlin dagegen kĂŒnftig vorsichtiger sein: Laut Bundesverfassungsgericht hat Berlin viele seiner Beamt*innen zu niedrig alimentiert. Warum uns das Problem auch ĂŒber Berlin hinaus noch weiter beschĂ€ftigen wird, erklĂ€rt SINAN KURT (DE).
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Kurz vor Jahresende haben wir noch zwei Symposien gestartet.
Wir fragen uns: âWem gehört die Wissenschaft?â â und wem sollte sie gehören? Obwohl Wissen als öffentliches Gut prinzipiell unbegrenzt teilbar ist, wird der Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und Infrastrukturen durch ökonomische und rechtliche Strukturen beschrĂ€nkt. Zwischen kommerziellen Verlagsmodellen, staatlicher Finanzierung und Community-getragenen Open-Access-Initiativen stellen sich grundlegende Fragen nach Eigentum, Verantwortung und UnabhĂ€ngigkeit wissenschaftlicher Arbeit. Das Symposium ist ein Ergebnis des vom Bundesministerium fĂŒr Forschung, Technik und Raumfahrt geförderten Projekts âErwerbungslogik als Diamond-Open-Access-Hindernisâ. EVIN DALKILIC eröffnet die Debatte mit der Beobachtung, dass die âOpen-Access-Revolutionâ ihre Versprechen nicht eingelöst habe, doch noch sei nicht alles verloren. Wieso wir auf Amateure setzen sollten und was Sputnik 1 mit der Zeitschriftenkrise zu tun hat, zeigt ihr Beitrag. Dabei sind Vergangenheit und Gegenwart geprĂ€gt von staatlicher Informationskontrolle, Zensur und Desinformation. FĂŒr nationalistische Regierungen verstĂ€rke das Internet ihre FĂ€higkeit, Minderheiten und politische Gegner zu marginalisieren und zu entmenschlichen, schreibt PAUL T. JAEGER.
Das zweite Symposium âIn Good Faith: Freedom of Religion under Article 10 of the EU Charterâ beleuchtet die jĂŒngsten Entwicklungen zwischen Religionsfreiheit, Diskriminierungsverbot und Selbstbestimmung der Kirchen aus unionsrechtlicher Perspektive. JAKOB GASPERIN WISCHHOFF und TILL STADTBĂUMER fĂŒhren in das Symposium ein. ERICA HOWARD argumentiert, dass der Ansatz des EuGH in den Kopftuchentscheidungen die NeutralitĂ€t ĂŒberbetone und die intersektionale Dimension dieser FĂ€lle vernachlĂ€ssige. Angesichts der engen Auslegung der Religionsfreiheit durch den EuGH warnt ANDREA PIN, dass der Gerichtshof im Namen von NeutralitĂ€t und Antidiskriminierung die Religionsfreiheit â insbesondere von muslimischen Minderheiten â zu untergraben drohe und dabei die Vielfalt innerhalb Europas aus dem Blick verliere. Dagegen hĂ€lt RONAN McCREA den zurĂŒckhaltenden Ansatz des Gerichtshofs in arbeitsrechtlichen DiskriminierungsfĂ€llen fĂŒr klug, gerade vor dem Hintergrund des raschen religiösen Wandels in Europa. Nachdem Ăsterreich (erneut) ein Kopftuchverbot an Schulen fĂŒr MĂ€dchen unter 14 Jahren eingefĂŒhrt hat, zeigt MICHAEL LYSANDER FREMUTH, wie ein solches Verbot die Autonomie der MĂ€dchen schĂŒtzen, Segregation verhindern sowie Integration und Geschlechtergleichstellung fördern könnte. Dagegen erzeugt fĂŒr PETER BUSSJĂGER das Kopftuchverbot selbst Stigmatisierung.
Bei beiden Symposien erwarten Sie noch einige spannende BeitrĂ€ge, versprochen. Nur leider werden Sie diese selbst erstöbern mĂŒssen, bis wir am 9. Januar aus der Weihnachtspause zurĂŒckkehren. Sehen Sie es als verlĂ€ngerten Adventskalender, dessen TĂŒrchen Sie Tag fĂŒr Tag selbst öffnen dĂŒrfen. Ein bisschen wie bei Rolf Zuckowski: âWeihnachten, was war das noch? Denk schnell noch einmal nach. Bestimmt wird die Erinnerung in deinem Herzen wieder wach.â Hach, DezembertrĂ€ume.
In diesem Sinne: Fröhliche Feiertage und merry everything!
*
Mit den besten WĂŒnschen,
Ihr
Verfassungsblog-Team
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The post Schöne, friedliche Tage appeared first on Verfassungsblog.
What is there to say about 2025? The less, the better. To recapitulate all the grim highlights of this year, as one would normally expect of an end-of-year editorial, feels inappropriate to me. Not because I canât take it anymore and just want some peace and quiet, assuming the same of you. But because there is a powerful and dangerous pull exerted by the relentless doom and gloom â the endless predictions and diagnoses of disaster that have relentlessly filled news outlets and social-media feeds all year. Nothing gets better if we all end up mentally unwell.
âLast summer in peaceâ: Iâve learned that this phrase circulated among Polish and Baltic students in the summer of 2025. To me, it sounds neither cynical nor fatalistic, but refreshingly alive â precisely because it harbours no illusions. The best antidote to despair is still a clear, open and unsparing look at the world around us and at what may be coming.
This year, we carried out the Judicial Resilience Project. In dozens of conversations, we asked officials working in the judiciary what comes to mind when they start thinking seriously about the question: what happens if they are coming for us? We developed scenarios of what it might look like if authoritarian populists were to put their strategy into practice and close in on the independent judiciary. My deep respect and thanks go to Friedrich Zillessen, Anna-Mira Brandau, Lennart Laude, Juliana Talg, Etienne Hanelt, Emma Bruhn, Janos Richter, Jakob Weickert, Sophie Sendrowski, Jonathan Schramm, Annika Perlebach, Zita Nogrady and Vincent KĂŒhler, who made this project happen (and most of whom had already worked on the Thuringia Project before). My sense is that all of them emerged stronger from this experience â just like the people in the judiciary they spoke with.
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Research Fellow in Rule of Law, Accession and European Security
The Bingham Centre for the Rule of Law at BIICL is seeking a skilled and motivated Research Fellow to contribute to a strategic programme exploring the relationship between rule of law standards, European Union (EU) accession processes, and the evolving security challenges in Europe.
For full details of the role, person specification and application process, please visit our recruitment portal at: https://hr.breathehr.com/v/research-fellow-in-rule-of-law-44353 .
It is expected that interviews will take place in late January 2026.
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I am equally grateful to all the individuals and institutions whose donations made this project, and indeed the work of Verfassungsblog as a whole, possible. As an organisation, we have taken a huge step forward (thank you, Schmid Foundation and Robert Bosch Foundation!) â in management, HR, finance and communications, and in our ownership structure. We are more professional, more effective and more efficient than before. Our reach has grown dramatically: 3.5 million visits to our website, almost a million more than last year (and some of them from the International Court of Justice). We further developed our blog symposia and published twelve Verfassungsbooks, many of which sparked strong responses both in academia and beyond. My special thanks go to my long-time companion Evin Dalkilic, who played a crucial role in building Verfassungsblog as a publisher and as a voice in the open-access landscape â and who is now, after seven intense, adventurous and exhausting years, setting off for new horizons.
We are heading into the new year stronger, more resilient and â yes â more hopeful than we were a year ago. We will continue to make public what is known, and what needs to be known, about the state and future of democracy, the rule of law and human rights. Text by text â and soon also in a new design, on a cleaner, more functional and more modern website (finally!). We will continue to invest in developing scenarios and preparing for the strategies of institutional abuse through which authoritarian populism seems to be gaining power at an alarming pace. Next, we will turn our attention to knowledge institutions â universities and the media â and to their specific vulnerabilities. We will prepare for the state elections in Saxony-Anhalt and Mecklenburg-Western Pomerania, and for the possibility that the AfD may soon exercise executive power in those states. We will not be intimidated. We will resist the temptation to retreat into comforting fictions, identitarian nostalgia, escapism, denial, exclusion and hatred. We will equally resist the pull of despair. We will stay with this world and everything that happens in it: its beauty and its violence, including the harms for which our own country, our own government, and we ourselves bear responsibility. We will keep looking, keep asking, keep thinking. Eyes open, backs straight.
In that spirit: happy holidays! Letâs enjoy the time ahead. I mean it.
P.S.: None of this would be possible without your donations, of course. Please follow this link.
P.P.S.: The editorial now pauses for the holidays. Weâll be back on 9 January.
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Boredom is a scarce resource. Weâre already looking forward to the days when, after one mulled wine (or two), we can simply watch the fire in the fireplace burn for hours on end. But, as with any resource, overdosing is never a good idea. To spare you an intoxication during our Christmas break, weâve put together our favourite texts of the year for you.
MAXIM BĂNNEMANN
Much of what we do revolves around law: texts, norms, and the force of the better argument. This focus is very reasonable, but it can also obscure the fact that political communities often seek meaning beyond reason and rational discourse. For decades, PAUL W. KAHN has written about these blind spots in liberal theory. This year, he made his debut on Verfassungsblog with a piece on faith and violence in the United States. The secular US constitutional project, he argues, has always been a political-theological one. But as its appeal wanes, Christian nationalists are now moving to the centre of politics. Their message is not one of love, but of violence: âAmericaâs civil wars are not yet done.â Dark reading â but anyone who wants to counter the promises of authoritarianism must first understand their appeal.
EVA MARIA BREDLER
What do we do when the law is crumbling in our hands? Itâs a question weâve all been grappling with for years, but this year itâs been particularly acute. Iâll spare you the depressing annual review â youâve witnessed it all. Instead, let me invite you to read ITAMAR MANNâs answer. Even if the title doesnât sound particularly uplifting, he manages to choreograph a dance of animals âin the graveyard of international lawâ that makes me believe, once again, in its resurrection. For a successful performance, we need ostriches (who keep their heads deep in the international legal sand), owls (who, wise with age, recognise the problems and dream of a better law) â and, crucially, octopuses (who, serious yet playful, imagine and apply the law in entirely different ways). Which one(s) are you?
CHARLOTTE HERBERT
In my year as a digital editor, I have read and learned a great deal about transatlantic dependencies â by 2025, âdigital sovereigntyâ had become an omnipresent buzzword: its absence is blamed for almost all of todayâs technical, digital, and geopolitical ills. Dusty Europe meets thriving private companies, foremost among them Starlink.
In my favourite text of the year, Alina Utrata untangles the threads between state efforts toward digital independence, the growing political power of private companies, and private control over critical infrastructure. She examines the historical continuity of dependency between states and corporations â from imperial trading companies to modern cloud providers â all without losing the necessary dark, English-style sarcasm.
Frank but entertainingly, she argues that private companies must finally be recognised as political actors â and calls for nothing less than their democratisation: âCEOs should no longer be allowed to run their companies as petit-monarchs.â
JASPER NEBEL
Reading groups can be tricky â one person forgets to read, another doesnât like the book, and before you know it, the reading group is a thing of the past. Now imagine that, for once, everything is going great â until the intelligence agency shows up and says: âNope, your reading group is unconstitutional.â
Thatâs what happened in Hamburg. The intelligence agency office in Hamburg listed a Marxist reading group as unconstitutional in its annual report. And in its ruling, the Hamburg Administrative Court likewise casts doubt on Karl Marxâs loyalty to the constitution. BRUNO LEIPOLD took a closer look at the whole affair â and dismantles the ruling with scholarly precision. Meticulously, Leipold examines every sentence of the judgment, uncovers blatant misunderstandings, points out the non-diversity of sources (the court cited â if at all â only a single source), and arrives at the unsurprising conclusion: âIronically, the judges of the Hamburg Administrative Court would benefit from a Marx reading group to better participate in just such a debate.â
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We are delighted to announce that our next Max Planck Masterclass with Dr. Ana BobiÄ is now open for applications (deadline 22 March).
The Masterclass on âHegel and EU lawâ will take place on 26 â 29 Mai 2026 at the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law in Heidelberg, Germany.
More information can be found here.
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MAXIMILIAN STEINBEIS
Are scholars who use their authority and expert status to protest against authoritarian and illiberal politics compromising their scholarship? âScholactivismâ is the keyword under which this debate is being conducted. One of those who have spoken out particularly vehemently against activist scholarship is the Prague-based EU law scholar (and contributor to Verfassungsblog since 2012) JAN KOMĂREK. In the spring, while he was preparing for a fellowship at NYU, he felt the time had come for a gesture of resistance: in his VB Editorial of 4 April, he explicitly and publicly went on record with his views on Donald Trump and US policy towards Israel and Gaza â as an inspiration for other scholars who feel tempted to censor themselves out of fear for their entry visa, and as âan act of self-protection of my own dignity, since I may not have the courage to say these things when (and if) I enter the U.S. in the fall. ⊠I have yet to apply for my J1 visa. If I am denied, I will know why. But I will not participate in the act of submission that Trump and his people demand of all of us who wish to come to the United States as we knew it before their unconstitutional coup.â
JANA TRAPP
There are texts that strike so precisely at oneâs unease that their clarity almost startles: suddenly, what was blurred comes into focus, and what was only dimly felt finds its words. This is one of them. With surgical precision and an unfailing radar for self-serving nonsense, CHRISTINE MORGENSTERN lays bare a criminal policy in which the stateâs âprotection against violenceâ is framed in tellingly punitive terms. Her analysis shows how feminist criminology treads the fine line between carceral feminism, migration policy, and authoritarian temptation â and reminds us that nuance is not the luxury of coddled liberals but a democratic necessity: a way to redeem clarity from confusion. For me, this piece is a compass amid the tempests of criminal policy â offering precision where others trade in slogans.
JAKOB GAĆ PERIN WISCHHOFF
The full-scale invasion of Ukraine by Russia over the past nearly four years has shaped political shifts and changes in Europe and beyond. NATO capabilities in Europe, strained transatlantic alliances with unfriendly tariffs, and a renewed awareness of the need for strong and independent European foreign and security policy are all consequences of the requirements of these new realities. One of the issues still occupying European politicians and EU institutions is the frozen Russian funds. ANTON MOISEIENKO, in one of my favourite pieces this year, soberly situates the issue within a legal and political perspective â clear and straightforward.
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by CHARLOTTE HERBERT

White Christmas is a rare phenomenon in Germany â a wishful scenario which now seems even less likely than Friedrich Merz managing an international trip without a scandal. On the Zugspitze, Germanyâs highest mountain, temperatures are expected to reach seven degrees today; Iâve traded my coat for a denim jacket, and if you look closely, you can already spot the first baby crocuses pushing their way through the asphalt.
In this decidedly un-Christmassy mood, even several overly hot mulled wines offer little resistance, so I recently returned to my favourite (winter) book: Into Thin Air. Jon Krakauer recounts how, in 1996, he set off as a journalist with a small group to climb Mount Everest â an experience still relatively exclusive at the time. As Krakauer reveals right at the beginning of the book, the expedition is caught in a fierce storm which not all of them will survive. Krakauer himself gradually loses his grasp on reality at the summit due to the cold and lack of oxygen. With remarkable intensity, he captures both the chaos unleashed by natureâs ruthlessness and the absurdity and hubris of those who convince themselves they can master it.
An absolute reading recommendation for anyone looking to curl up over the holidays, to learn to appreciate those five degrees of drizzle they had been cursing just moments before â or simply in need of a book that reliably distracts from the strains of family Christmas.
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summarised by EVA MARIA BREDLER
As a child, the end of the year was a time of âDezembertrĂ€umeâ. These days, it feels more like December fever âquite literally. Here in the editorial team, weâre taking turns being ill. But also metaphorically: everyone seems determined to reach their 2025 goals within the last few weeks, giving it all, doing burpees, working through the night. A pre-Christmas pressure cooker for us â but a reading feast for you. Here we go:
For weeks, the debate revolved around whether frozen Russian state assets could be used to secure a loan for Ukraine. Today, an agreement has been reached on a âŹ90 billion loan â for now without directly tapping those frozen Russian funds. Still, the question remains relevant for the future. SIMON GEIERSBACH (GER) argues that even frozen assets can be used, and explains why an EU reparations loan to Ukraine could be both legally and fiscally sound.
This week, the EU also wrapped up another contentious issue just in time for Christmas. On Tuesday, the European Parliament adopted the controversial Omnibus I package, reshaping the CSDDD â and, by extension, Germanyâs Supply Chain Act. DANIEL SCHĂNFELDER and MICHAELA STREIBELT (ENG) summarise the most important practical changes for companies, particularly with regard to reporting and transparency obligations.
Transparency was also at the heart of the EUâs Digital Services Act. Article 40 opens up platform data for researchers â but for whom exactly? DAPHNE KELLER (ENG) argues that everything hinges on how âpublicly accessibleâ data are interpreted, and makes the case for a broad reading to fulfil the DSAâs transparency goals.
In early December, the European Commission issued its first DSA decision, criticising Xâs blue tick as allegedly misleading. For MARC ANDRĂ BOVERMANN (ENG), this misses the platformâs deeper structural problems and does little to rebuild trust.
Speaking of trust: TOMMASO PAVONE, SILJE SYNNĂVE LYDER HERMANSEN and LOUISA BOULAZIZ (ENG) draw on a new dataset of almost 7,000 ECJ rulings from 1962 to 2016 to analyse whether the Court protects the weak or the powerful more often. Their finding: individuals win more frequently than companies â in part because the ECJ actively offsets resource asymmetries.
Questions of power shifts also lay at the heart of the German Federal Constitutional Courtâs Egenberger judgment. For HEIKO SAUER (GER), it marked a turning point in European constitutional law. BENEDIKT RIEDL (GER) disagrees: even if Karlsruhe avoided open conflict with the ECJ this time, ultra vires review remains indispensable.
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Over the course of a year, Are We Europe, together with 28 journalists from over 15 EU countries, explored what it means to have your fundamental rights protected in the European Union (EU) today. The result is FOCUS, a digital and print publication which seeks to raise public awareness of the Charter of Fundamental Rights of the European Union (the Charter), its value, and its potential for broader application in day-to-day life. Telling stories that highlight the Charterâs workings â and shortcomings â is a key part of that.
Find out more at focus.areweeurope.eu and buy your print magazine at https://archive.areweeurope.com/store/p/focus-magazine/ .
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The Federal Constitutional Court also dealt with press freedom: Der Spiegel was allowed to name suspects in its reporting on Wirecard, as the Court has now confirmed. LIAM DRAF and GUNNAR DUTTGE (GER) warn that this weakens personality rights and exposes those concerned to the risk of public pre-judgment.
A very literal form of public pre-judgment is currently unfolding in the United States, KAI AMBOS (ENG) observes with concern. The US government has sanctioned the (then) Chief Prosecutor of the International Criminal Court and ICC judges for pursuing proceedings against Trump allies. âThe US sanctions policy thus proves to be not only an attack on the ICC, but an attack on the law itself.â Ambos explains the far-reaching effects of these sanctions â and why the EU must now respond.
Judicial independence is also under threat in Romania. On Monday, the ECtHR ruled in DanileÈ that judges cannot, in principle, be disciplined for publicly defending the rule of law. IURIE PATRICHEEV (ENG) welcomes the judgment as a timely intervention and explains what it means for Romaniaâs strained judiciary.
Unfortunately, the ECtHR itself is increasingly under pressure. More and more member states are threatening to withdraw from the ECHR â particularly over migration policy. Last week, Council of Europe ministers met to discuss how migration-related issues under the Convention might be recalibrated. JASPER KROMMENDIJK and LINA SOPHIE MĂLLER (ENG) analyse the December meeting, internal divisions among states, and the implications for the Court.
Poland, too, is now flirting with an ECHR exit â under none other than former pro-European Prime Minister Donald Tusk. His rhetoric increasingly echoes that of Viktor OrbĂĄn, even though Poland was once seen as a beacon of democratic resilience and recovery. WOJCIECH ZOMERSKI (ENG) sounds a warning: no political force is immune to the temptations of populism â not even those that claim to save us from it.
In Germany, many hope to fend off populism by banning the AfD. JOHANNES MAURER and NIKLAS SPAHR (GER) point to an alternative: under Article 21(3) of the Basic Law, even large parties like the AfD can be excluded from state funding.
Berlin, meanwhile, will have to tread more carefully when it comes to cutting off public funding: according to the Federal Constitutional Court, the city has underpaid many of its civil servants. SINAN KURT (GER) explains why this issue will continue to matter far beyond Berlin.
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The ICJâs Climate Advisory Opinion is one of the most significant developments in international climate law. This new volume shows why â and explores its implications for global climate governance.
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Just before the year draws to a close, we launched two new symposia.
The first asks: âWho owns science?â âand who should? Although knowledge is, in principle, a public good, access to academic publications and infrastructures is constrained by economic and legal structures. Between commercial publishing models, public funding, and community-driven open-access initiatives, fundamental questions arise about ownership, responsibility, and academic independence. The symposium emerged from the project âAcquisition Logic as a Barrier to Diamond Open Accessâ, funded by the German Federal Ministry of Research, Technology and Space. EVIN DALKILIC (ENG) opens the debate by arguing that the âopen access revolutionâ has failed to deliver on its promises âbut that all is not lost. Why we should rely on amateurs, and what Sputnik 1 has to do with the journal crisis, she explains in her contribution. Against this backdrop, the past and present are marked by state information control, censorship, and disinformation. For nationalist governments, PAUL T. JAEGER (ENG) writes, the internet amplifies their ability to marginalise and dehumanise minorities and political opponents.
Our second symposium, âIn Good Faith: Freedom of Religion under Article 10 of the EU Charterâ (ENG), examines the latest significant developments from an EU perspective, placing freedom of religion at the centre of analysis and critically assessing its operationalisation and interpretation in light of the EU Charter. JAKOB GASPERIN WISCHHOFF and TILL STADTBĂUMER kick off the debate. ERICA HOWARD argues that the CJEUâs approach in the headscarf cases overemphasises neutrality and neglects the intersectional dimension of the headscarf cases. Given the CJEUâs narrow reading of religious freedom, ANDREA PIN warns that the CJEU, in the name of neutrality and anti-discrimination, risks undermining religious freedom â especially for Muslim minorities â while ignoring diversity across Europe. Conversely, RONAN McCREA argues that the Courtâs deferential approach in workplace discrimination cases is wise in light of rapid religious change in Europe. Now that Austria has banned headscarves in schools for girls under 14 (again!), MICHAEL LYSANDER FREMUTH highlights how this may protect the girlsâ autonomy, prevent segregation, and promote integration and gender equality. For PETER BUSSJĂGER, however, the headscarf ban itself produces stigmatisation.
There are more great pieces to come in both symposia. For now, though, youâll have to explore them on your own until we return from the Christmas break on 9 January. Think of it as an extended Advent calendar, with a new door to open every day. A bit like Rolf Zuckowski: âChristmas â what was that again? Think quickly, think it through. The memory will surely come alive again in your heart.â Ah, December dreams.
And with that: happy holidays â and merry everything!
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Thatâs it for this week. Take care and all the best!
Yours,
the Verfassungsblog Team
Â
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Am Palindromtag 23.5.23 geschah, womit vermutlich nur Insider gerechnet hatten: Unter dem Titel âDie Gefahren beim wissenschaftlichen Publizierenâ veröffentlichte der Rat der EuropĂ€ischen Union in seiner 3949. Sitzung seine Schlussfolgerungen zum wissenschaftlichen Publikationswesen. Das klingt erstmal nach trockenem Lesestoff. Denn welche Gefahren könnten schon beim Publizieren wissenschaftlicher Texte lauern? Dass man sich den Finger an einer Papierkante schneidet? Eher unwahrscheinlich â das analoge Zeitalter ist ja lĂ€ngst passĂ©. Offensichtlich aber doch nicht lange genug, um alle Altlasten daraus zu entsorgen.
Zum Beispiel gibt es immer noch kommerzielle Verlage â jene Relikte aus der Ăra der Papierjournale â an die das BedĂŒrfnis der Wissenschaft nach Veröffentlichung ausgelagert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg erkannte ein gewisser Robert Maxwell das unternehmerische Potenzial dieser Nischenbranche und hĂ€ufte mit Macmillan und Pergamon Press (heute: Elsevier) ein betrĂ€chtliches Vermögen an. Seine Tochter â Ghislaine Maxwell, verurteilte SexualstraftĂ€terin â verdankt ihren Zugang zu Magnat Jeffrey Epstein also zum Teil den groĂzĂŒgigen Ăberweisungen wissenschaftlicher Institutionen an wissenschaftliche Verlage.
Mit Gewinnmargen von bis zu 40 Prozent zĂ€hlt das wissenschaftliche Verlagswesen zu den profitabelsten legalen GeschĂ€ftszweigen ĂŒberhaupt. Der Rat der EU benennt auch einen der GrĂŒnde fĂŒr diese RentabilitĂ€t: âDie PublikationskanĂ€le fĂŒr Forschende befinden sich hĂ€ufig in den HĂ€nden privater Unternehmen, die nicht selten die Kontrolle ĂŒber die Rechte des geistigen Eigentums an den Artikeln ĂŒbernehmen.â Da jeder wissenschaftliche Artikel naturgemÀà nur einmal publiziert wird, verfĂŒgen die Verlage ĂŒber ein strukturelles Monopol. Ohne Konkurrenz lassen sich Preise verlangen, die gerade noch so in die Etats öffentlicher Kassen passen â oder meist sogar etwas darĂŒber hinaus. Gleichzeitig sind mit der Digitalisierung klassische Kostenfaktoren wie Druck und Vertrieb weggefallen â was es den Verlagen ermöglicht, mittlerweile Preise bis zum Zehnfachen der eigentlichen Produktionskosten aus den ohnehin schon notleidenden Bibliotheken herauszupressen.
Angesichts dieses radikalen Fokus auf Gewinnmaximierung ĂŒberrascht es vermutlich wenig, dass die Verlage in den letzten Jahrzehnten weder in QualitĂ€tssicherung noch in FunktionalitĂ€t nennenswert investiert haben. Ausgerechnet die teuersten Journale publizieren heute die unzuverlĂ€ssigsten Studien. Immer mehr Stimmen sprechen von einer âReproduktionskriseâ, zuletzt sogar Donald Trump in seinem Erlass âRestoring Gold Standard Scienceâ vom 23. Mai 2025. FĂŒr Autor*Innen hat sich seit der EinfĂŒhrung der E-Mail-basierten Einreichung in den frĂŒhen 1990ern kaum etwas verbessert. Auch Gutachtende arbeiten weitgehend ohne nennenswerte UnterstĂŒtzung durch die Verlage, und das Endprodukt âwissenschaftlicher Artikelâ hat in etwa die digitalen FunktionalitĂ€ten eines abfotografierten Grabsteins.
Wenn die Verlage also mit ihren Auspressmethoden das Zehnfache ihrer Kosten einnehmen â warum machen sie dann ânurâ 40 Prozent Gewinn und nicht 90? Zum einen mĂŒssen selbstverstĂ€ndlich ein paar Privatjets und Luxusyachten fĂŒr die C-Suite angeschafft werden. Zum anderen investieren die Konzerne seit Jahren massiv in digitale Ăberwachungstechnik. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft setzte bereits 2021 eine Kommission ein, die zu dem Schluss kam, dass derart âunreguliertes bzw. unerkanntes Datentracking eine Verletzung der Wissenschaftsfreiheit und der Freiheit von Forschung und Lehre bedeutenâ könne.
Die Ăberwachung der Wissenschaft ist auch ein Grund, warum ich gemeinsam mit der Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte beim Landesbeauftragten fĂŒr Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-WĂŒrttemberg eine Datenschutzbeschwerde gegen die rechtswidrige Datenverarbeitung auf Verlagswebseiten eingereicht habe.
Warum konnten die Verlage â inzwischen zu globalen Databroker-Konzernen gewachsen â die Wissenschaft ĂŒber all die Jahrzehnte so hemmungslos parasitieren? Die zumeist prekĂ€r beschĂ€ftigten Autor*Innen mĂŒssen in etablierten Journalen publizieren, um ihre Chance auf eine feste Stelle zu wahren â von ihnen ist also keine Revolution zu erwarten. Die Bibliotheken wiederum bezahlen die Journale, in denen die Forschenden publizieren und die sie lesen mĂŒssen. Die Wissenschaft steckt in einem strukturellen AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnis mit monopolistischen GroĂkonzernen. Der Rat der EU nennt das nĂŒchtern: âlock-inâ â eingesperrt.
Derart eingesperrt werden vornehmlich jene Forschenden berufen und finanziell gefördert, die in den teuersten â pardon, renommiertesten â Journalen publizieren. Und diese Berufenen teilen ihr Erfolgsrezept natĂŒrlich bereitwillig mit ihren Studierenden. Dumm nur, dass ausgerechnet in diesen Journalen die unzuverlĂ€ssigste Wissenschaft erscheint. Man muss keine Expert*in fĂŒr Evolutionsbiologie sein, um zu begreifen, wie es dazu kommen konnte, dass etwa in der Krebsforschung heute nur noch rund zwölf Prozent der Fachliteratur reproduzierbar sind. Der Selektionsdruck wissenschaftlicher Karrierepfade wirkt eben nicht auf die QualitĂ€t, sondern auf den Preis des Sichtbarwerdens.
Mit den âGefahren beim wissenschaftlichen Publizierenâ meint der Rat der EU also nicht etwa die Gefahr, sich bei zu vielen FuĂnoten den Verstand zu verrenken. Gemeint ist: die Verschwendung öffentlicher Gelder durch ein Preismodell, das fĂŒr eine Leistung das Zehnfache der eigentlichen Kosten verlangt. Gemeint ist: die grundrechtsverletzende Praxis des Datentrackings durch globale Databroker. Gemeint ist: die systematische Belohnung von unverlĂ€sslicher Wissenschaft und die gleichzeitige strukturelle Bestrafung von VerlĂ€sslichkeit. Und gemeint ist: ein AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnis, das es der Wissenschaft unmöglich macht, sich aus dem WĂŒrgegriff dieser Konzerne selbst zu befreien.
Was also schlĂ€gt der Rat der EU als GegenmaĂnahme vor?
Unter anderem ermutigt er die Mitgliedstaaten und die Kommission, âinteroperable gemeinnĂŒtzige Infrastrukturen, mittels derer auf der Grundlage quelloffener Software und offener Standards publiziert werden kann, zu fördern und in diese zu investieren, um eine AbhĂ€ngigkeit von Diensteanbietern und proprietĂ€ren Systemen zu vermeiden, und diese Infrastrukturen mit der EuropĂ€ischen Cloud fĂŒr offene Wissenschaft zu verbindenâ. Im Klartext: Die kommerziellen Journale sollen durch eine öffentliche Infrastruktur ersetzt werden â eine, die sich nicht nur um Artikel, sondern auch um Forschungsdaten, Software und Code kĂŒmmert. Und bei der es nicht um Profit geht, sondern um QualitĂ€tssicherung, FunktionalitĂ€t und ZugĂ€nglichkeit.
Seit 2023 sind erste Umsetzungen bereits RealitĂ€t. In der bislang nur EU-geförderten Autor*Innen offenstehenden Open Access Publikationsplattform âOpen Research Europeâ (ORE) können ab 2026 alle Autor*Innen aus teilnehmenden LĂ€ndern ohne GebĂŒhren publizieren. Der Umbau der Plattform auf Open-Source-Software ist in vollem Gange. An einer dezentralen Erweiterung wird ebenfalls gearbeitet â mit dem Ziel, dass alle wissenschaftlichen Institutionen zum Aufbau beitragen können. In nur zwei Jahren hat die EU ihre AnkĂŒndigungen in konkrete MaĂnahmen gegossen und ist damit auf bestem Wege, etwas zu schaffen, das alles ĂŒbertrifft, was die kommerziellen Anbieter in den letzten Jahrzehnten zustande gebracht haben.
Wenn man die Konsequenzen dieses Weges zu Ende denkt, wird deutlich: Hier wird nicht weniger versucht als die Zerschlagung der Monopole â durch den vollstĂ€ndigen Ersatz der Journale, wie wir sie seit 1665 kennen, mit einer dezentralen Infrastruktur. Angesichts der beschriebenen MissstĂ€nde erscheint diese MaĂnahme nicht nur als sinnvoll, sondern als ĂŒberfĂ€llig. Schon vor Veröffentlichung der Schlussfolgerungen des Rates der EU war in der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Ruf nach einem modernen, wissenschaftsgeleiteten Ersatz immer lauter geworden, unter anderem von einer Gruppe von Expert*Innen der auch ich angehöre. Die BeschlĂŒsse des Rates sind daher ein Paradebeispiel fĂŒr evidenzbasierte Politik und können gar nicht hoch genug gelobt werden. In einer Lage, in der die Wissenschaft alleine handlungsunfĂ€hig geworden ist, reicht ihr die EuropĂ€ische Kommission die Hand â und unterstĂŒtzt sie im Kampf gegen die globalen Ăberwachungskonzerne.
Es werden vermutlich jedoch noch weitere Hilfestellungen nötig sein, um die Wissenschaft vollstĂ€ndig aus den Klauen der Konzerne zu befreien. Denn ein Ersatz bedeutet noch nicht, dass er auch tatsĂ€chlich genutzt wird â schon gar nicht bevorzugt. Denn Autor*innen sind eben nicht frei in der Wahl ihres Publikationsortes.
Zwei zusĂ€tzliche Schritte könnten hier unterstĂŒtzend beitragen:
Zum einen könnten Forschungsförderer die UnterstĂŒtzung von ORE â und die lokale Implementierung der zugehörigen Infrastruktur â zur Voraussetzung fĂŒr ihre Förderentscheidungen machen. Das wĂ€re kein radikaler Paradigmenwechsel: Alle solche Förderer stellen bereits analoge Anforderungen und mĂŒssten sie nur um eine entsprechende digitale Anforderung erweitern.
Zum anderen könnten Rechnungshöfe ihren Teil dazu beitragen, den Geldstrom von den Konzernen zu den geforderten âinteroperablen gemeinnĂŒtzigen Infrastrukturenâ umzuleiten. Bis heute wird in vielen FĂ€llen noch immer einzeln mit den alten Verlagen verhandelt. FrĂŒher war das noch rechtlich zulĂ€ssig: Wenn Verlage als einzige Bezugsquelle galten, durften VertrĂ€ge mit ihnen auch ohne Ausschreibung abgeschlossen werden â im Vergaberecht spricht man von einem âVerhandlungsverfahren ohne Bekanntmachungâ (vgl. § 17 V VgV). In der Praxis entsprach das einer Art faktischer Monopolausnahme.
Zumeist geht es heute jedoch lĂ€ngst nicht mehr um den Zugang zu exklusiven Inhalten, sondern um Publikationsdienstleistungen. Und diese können â Ăberraschung â nicht nur groĂe Verlage erbringen. TatsĂ€chlich sind alle Anbieter auf dem Markt technisch in der Lage, solche Leistungen bereitzustellen. Die meisten von ihnen halten sich sogar an den sogenannten JATS-Standard: Die aus Manuskripten generierten Dateien â ob PDF, XML oder HTML â sind also nicht nur im gleichen Format, sondern auch noch standardisiert. Bessere Voraussetzungen fĂŒr die Substituierbarkeit von Dienstleistungen gibt es kaum â und genau diese Substituierbarkeit ist die rechtliche Voraussetzung fĂŒr Ausschreibungen.
Folglich sollten die Rechnungshöfe wissenschaftliche Einrichtungen dazu anhalten, Publikationsdienstleistungen nicht lĂ€nger exklusiv zu verhandeln, sondern auszuschreiben â so wie sie es auch beim Einkauf von Hardware, bei Reinigungsdienstleistungen oder bei allem anderen tun mĂŒssen.
Auch hier hat die EuropĂ€ische Kommission eindrucksvoll vorgemacht, wie das aussehen kann. Als öffentliche Einrichtung hatte sie â ganz analog zu jeder UniversitĂ€t â einen Bedarf an Publikationsdienstleistungen fĂŒr die von ihr geförderten Forschenden. Anders als viele andere Institutionen hat sie diesen Bedarf jedoch nicht im Hinterzimmer mit Elsevier & Co. verhandelt, sondern sauber und kompetitiv ausgeschrieben. Das Ergebnis hieĂ: ORE.
Wenn sich die Rechnungshöfe dieses Themas annÀhmen, wÀren die wissenschaftlichen Einrichtungen gezwungen, ihre Publikationsbedarfe ebenso transparent und wettbewerblich zu behandeln wie alle anderen Beschaffungsprozesse.
Nun mag man einwenden, die Wissenschaftsfreiheit umfasse auch die freie Wahl des Publikationsortes. Doch dem lĂ€sst sich gleich doppelt widersprechen: Zum einen haben Autor*innen de facto ohnehin keine echte Wahl â sie mĂŒssen schon jetzt dort publizieren, wo es ihre Karriere verlangt. Zum anderen ist die Wissenschaftsfreiheit primĂ€r ein Abwehrrecht gegenĂŒber staatlicher Einflussnahme â sie begrĂŒndet aber keinen Anspruch auf Finanzierung jeder individuell bevorzugten Publikationsform. Erst recht nicht, wenn diese Bevorzugung in eine Struktur fĂŒhrt, die Steuermittel verschwendet, Grundrechte verletzt, unzuverlĂ€ssige Wissenschaft belohnt â und die wissenschaftliche Praxis insgesamt in Geiselhaft nimmt.
Wer heute dennoch in den alten Journalen veröffentlichen möchte, sollte in der Tat sĂ€mtliche damit verbundenen Kosten selbst tragen â sowohl die finanziellen als auch alle anderen. Wenn, wie man hoffen kann, bei mehr als nur adĂ€quatem Ersatz nur noch ein Bruchteil der bisherigen Autor*Innen dazu bereit ist, wĂŒrde es bald auch keine Journale mehr geben, in denen irgendjemand eine Publikation fordern kann.
Ein nĂ€chster Schritt fĂŒr die EU könnte nun sein, auĂerhalb Europas nach Partnern zu suchen, die bereit sind, Ă€hnliche Wege zu gehen und mit ihnen das dezentrale Netz âinteroperabler gemeinnĂŒtziger Infrastrukturenâ weiter auszubauen. Wenn erst alle europĂ€ischen Institutionen ihren Teil zu dieser neuen Infrastruktur beitragen, werden andere wissenschaftliche Einrichtungen weltweit nicht lange zögern, ebenfalls Teil dieses globalen Netzwerks zu werden â ganz so, wie sie in den 1990ern alle Teil des Internets werden wollten.
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